Synoptische Übersicht Kurzfrist

Synoptische Übersicht Kurzfrist

ausgegeben am Donnerstag, den 12.06.2025 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Bei vorübergehend zunehmender Schwüle am Freitag und Samstag im Westen und Südwesten starke Wärmebelastung.
Ab Freitagabend an der Grenze zu Belgien bzw. im südwestdeutschen Mittelgebirgsraum erste Gewitter nicht ausgeschlossen. Am Samstag in der Westhälfte kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial aufgrund von Starkregen und Hagel.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Aktuell ... befindet sich Deutschland unter einem Höhenrücken, der sich vom westlichen Mittelmeerraum bis zum Nordmeer erstreckt. Flankiert wird er von Langwellentrögen über dem nahen Ostatlantik und über Nordost- bzw. Osteuropa. Dieses klassische Omega-Muster erweist sich als stabil und entsprechend auch wenig progressiv. Dennoch wird der Rücken mit Passage eines Randtroges über die Britischen Inseln mit seiner Achse ein wenig nach Osten abgedrängt. Im Bodenfeld stützt der Rücken eine von Ungarn über Skandinavien bis zur Barentssee reichende Hochdruckzone mit Schwerpunkten ("XARA") über Nordnorwegen und Südschweden. Im Laufe der Nacht kann sich das Hoch noch etwas verstärken (über 1030 hPa) und weitet sich ein wenig nach Westen aus, so dass auch über dem Vorhersagegebiet der Druck langsam ansteigt und die Advektion trockener Festlandsluft von Osten her aufrecht bleibt.
Eine mit dem Randtrog über GB korrespondierende Tiefdruckrinne reicht aktuell von England über Belgien bis nach Ostfrankreich und wird im Laufe der Nacht nordwärts geführt, wobei sie sich langsam auffüllt. Im Vorfeld konnte auch in den Westen und Südwesten des Landes bereits etwas feuchtere Luft aus Südwesteuropa einsickern, die Taupunkte sind bei starker Deckelung (in etwa 900 hPa) und dadurch eingeschränktem vertikalen Luftmassenaustausch im südlichen Oberrheingraben, in Südbaden und auch in Teilen des Alpenvorlandes bereits auf über 15 Grad gestiegen, gleichzeitig liegen sie in der Osthälfte gebietsweise im einstelligen Bereich.
In 850 hPa hat sich die Luftmasse bereits sowohl advektiv als auch durch Absinken auf Werte zwischen 19 Grad in Südbaden und 6 Grad auf Rügen erwärmt. Trotz fehlender Durchmischung wurde bei fast ungehinderter Sonneneinstrahlung (im Nordosten gabs noch flache Quellwolken und Reste des Rauches aus Kanada, im Westen zeigen sich dünne Cirren) die 30 Gradmarke im Südwesten überschritten (Rheinfelden: 31,8 Grad), während man sich im Norden und Osten mit Höchstwerten zwischen 20 und 25 Grad begnügen musste.
Im Einflussbereich der Rinne haben sich über Ostfrankreich erste Schauer und Gewitter entwickelt, die im Laufe der kommenden Nacht westlich vom Vorhersagegebiet rasch nordwärts ziehen und sich dabei wieder abschwächen. Hohe und mittelhohe Wolkenfelder dürften dabei zumindest den Westen des Landes passieren, ICON-D2 simuliert von der Eifel bis zum Emsland schwache Schauer aus abgehobenen Konvektionsresten (immerhin stehen lt. Modell dort gebietsweise mehr als 500 J/kg MU-Cape zur Verfügung, SuperHD hat im 06 UTC-Lauf sogar ein Gewitter auf der Agenda, das in den Frühstunden von Luxemburg her noch die Eifel erfasst, sich dann aber rasch abschwächt.
Ansonsten verläuft die Nacht gering bewölkt, nach Osten und Norden zu auch wolkenlos. Mit Passage der Rinne verschärft sich der Gradient vor allem im Westen, Nordwesten und in der Mitte, im Nordseeumfeld sowie an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins kann es ausgangs der Nacht steife Böen (Bft 7) aus Ost bis Südost geben, in den Kammlagen einiger Mittelgebirge ebenfalls, dort im Bereich lokaler Low Level Jets vereinzelt auch stürmische Böen (Bft 8). Ganz im Westen bleibt die Nacht bereits sehr mild mit Minima zwischen 18 und 14 Grad, in einigen Lee-Lagen an der Grenze zu Belgien werden die 20 Grad eventuell auch kaum unterschritten. Sonst wird es mit 15 bis 8 Grad, in den östlichen Mittelgebirgen auch darunter, noch angenehm frisch.

Freitag ... zieht an der Südflanke des Langwellentroges ein kurzwelliger Randtrog vom Ostatlantik Richtung Biskaya. Kräftige WLA auf dessen Vorderseite stützt den Höhenrücken über dem Vorhersagegebiet, der weiterhin kaum nach Osten vorankommt, sich stattdessen sogar noch etwas verstärkt. Die Hochdruckzone im Bodenfeld verlagert sich ein wenig nach Osten, ein Schwerpunkt bleibt aber über Südschweden. Dagegen setzt mit Annäherung des Randtroges über Frankreich verstärkt Druckfall ein, der sich im Tagesverlauf auch auf den äußersten Westen und Süden des Vorhersagegebietes ausweitet. Zwar schwächt sich das Hoch etwas ab, dennoch bleibt somit ein recht scharfer Gradient aufrecht, der für lebhaften Südostwind sorgt, an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind kann es weiterhin einzelne steife Böen geben. Mit Annäherung der nun etwas markanter ausgeoprägten Rinne über Frankreich und im Tagesverlauf auch über Benelux macht die feuchte und potenziell instabile Luftmasse im äußersten Westen und Südwesten des Landes sowie im südlichen Alpenvorland nur wenig Raum nach Osten gut, da der Südostwind mit trockener Festlandsluft dagegenhält. Unter dem starken Deckel findet allerdings eine weitere Feuchteanreicherung statt; die PPWs steigen auf über 30 mm, die spezifische Feuchte in den unteren 500 m erreicht bei Taupunkten von nur wenig unter 20 Grad im südlichen Oberrheingraben 13 bis 14 g/kg, die Prognosetemps des I-D2 zeigen dort MU-Cape von örtlich über 3500 J/kg. Die starke Deckelung dürfte aber noch hinderlich wirken, selbst mit Hilfe der Orografie reicht es nach Lesart der aktuell vorliegenden Konvektion erlaubenden Modelle nicht zur Auslöse. Viel brauchts aber nicht, und im Falle des Falles sind angesichts der "explosiven" Luftmasse rasch Entwicklungen bis in den Unwetterbereich möglich, insbesondere stehen Starkregen und große Hagelansammlungen im Fokus, bei "frischen" Entwicklungen auch größerer Hagel. Angesichts der defensiven Modellperformance kann der Ball diesbezüglich aber noch flach gehalten werden. Ähnliches gilt übrigens für die Grenzregion zu Belgien/Luxemburg. Im Rest des Landes spielt Konvektion angesichts der trockenen Luft sowieso noch keine Rolle. Vor allem über die Westhälfte ziehen zeitweise dünne hohe Wolkenfelder, in den äußersten Westen und Südwesten wird auch etwas Saharastaub advehiert, sonst scheint die Sonne von einem oft wolkenlosen Himmel. In 850 hPa steigt die Temperatur auf Werte zwischen 13 Grad im Nordosten und 21, vielleicht knapp 22 Grad im Südwesten. Dort verhindern Deckel, dünne Wolken und Saharastaub eine gute Durchmischung uns somit Temperaturen von 35 Grad und mehr, die bei perfekten Bedingungen möglich wären. Dennoch reicht es im Westen und Südwesten bis in die Mitte für Maxima zwischen 29 und 33, örtlich 34 Grad, im Nordosten werden dagegen nur 20 bis 25 Grad erreicht, dazwischen 25 bis nahe 30 Grad.

In der Nacht zum Samstag zieht der Randtrog über den Westen und Norden Frankreichs Richtung England und Belgien. Der Rücken wird dadurch bei leichter Verkürzung der Wellenlänge ein wenig nach Osten abgedrängt, dessen Achse befindet sich morgens in etwa über der Osthälfte Deutschlands. Somit nimmt die sich etwas verstärkende südsüdwestliche Höhenströmung über dem äußersten Westen und Nordwesten des Vorhersagegebietes eine leicht diffluente Kontur an und knapp westlich von uns wird eine schwache Trogpassage angedeutet. Im Bodenfeld etabliert sich aus der Tiefdruckrinne über Frankreich ein kleinräumiges Tief, das unmittelbar vorderseitig des Kurzwellentrogs gelegen bis Samstagfrüh zur südwestlichen Nordsee zieht. Dabei kann die feuchte und potenziell instabile Luftmasse über dem Westen Deutschlands ein klein wenig Raum nach Osten gutmachen, das nach wie vor recht kräftige Hoch, dessen Schwerpunkt sich langsam zur südöstlichen Nordsee verlagert, hält aber weiterhin dagegen. Die Hauptgewitteraktivität spielt sich somit im Bereich der Rinne über Nordwestfrankreich und Benelux ab. Dort bieten Überlappung von Instabilität und guten Scherungsbedingungen durchaus Potenzial für unwetterartige Entwicklungen. Nach Lesart aller derzeit vorliegenden Konvektion erlaubenden Modelle sollen die Gewitter das Vorhersagegebiet nicht mehr erfassen. Dennoch können ein oder mehrere mesoskalige Systeme durchaus eine gewisse Eigendynamik entwickeln, die von den Modellen nur schwer dargestellt werden kann, und cold Pool getriggert weiter nach Osten vorankommen als ursprünglich "geplant". Sollte das der Fall sein und so ein "Gerät" die Grenze überschreiten, bietet die Luftmasse auch hierzulande genügend Potenzial für markante Entwicklungen (Hagelansammlungen, je nach Ausprägung des Cold Pools Sturmböen), bzgl. Starkregen durchaus auch für Unwetter.
Ansonsten verläuft die Nacht aber wettertechnisch ruhig. Der Gradient weicht nur langsam auf und verschärft sich morgens sogar wieder vorübergehend etwas, über der offenen Nordsee könnte es für steife Böen aus Südost reichen, ebenso in einigen Mittelgebirgskammlagen.
Vor allem über den Westen und Nordwesten ziehen zeitweise hohe und mittelhohe Wolkenfelder, sonst verläuft die Nacht vielerorts gering bewölkt oder klar. In den Ballungszentren im Westen liegen die Minima teilweise über 20 Grad, auch sonst bleibt es in der Westhälfte mit 20 bis 15 Grad sehr mild. Nach Osten zu kühlt es dagegen auf angenehmere Werte ab, vor allem von Ostvorpommern bis nach Ost- und Südbayern gebietsweise auf unter 10 Grad.

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Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Samstag ... hat sich gegenüber den Ausführungen in der Frühübersicht nichts Wesentliches geändert.
Das gesamte Zirkulationsmuster verschiebt sich geringfügig nach Osten, und mit Annäherung des Langwellentroges, dessen Achse bis zum Abend immerhin Irland überquert, greift von Frankreich und Benelux her die Tiefdruckrinne mit der potenziell instabilsten Luftmasse auf den Westen Deutschlands über. Nach wie vor werden über der breiten Westhälfte, im Südwesten sowie im Alpenvorland PPWs von mehr als 30, örtlich mehr als 35 mm und bei zunächst noch starker Deckelung 2000 bis 3500 J/kg MU-Cape simuliert.
Wann und wo es zur Auslöse reicht, ist noch unklar. Die Konvektion erlaubenden Modelle simulieren mangels dynamischen Antriebs im Bereich der Rinne so gut wie keine Konvektion, sondern mit Annäherung eines kurzwelligen Troganteiles bzw. IPV-Maximums erst dahinter, bei bereits westlichen Bodenwinden und somit ungünstigerer bodennaher (Richtungs)scherung. Nichtsdestotrotz ist mit Hilfe der Orographie bzw. (v.a. im Nordwesten) getriggert durch Outflow Boundaries nächtlicher Gewitter auch Auslöse im Rinnenbereich denkbar. Sollte es dazu kommen, dürften sich die Einzel- und Multizellen bei nur marginaler hochreichender Scherung rasch zu Cold Pool getriggerten mesoskaligen Systemen organisieren, wobei Starkregen und größere Hagelansammlungen (bis hin zu Unwetter, bzgl. Starkregen eventuell sogar extrem) im Fokus stehen, je nach Ausprägung des Cold Pools und im Vorfeld vorhandener D-Cape es aber durchaus auch zu (schweren?) Sturmböen kommen kann. Im frühen Stadium der Einzelzellen ist angesichts der hohen Cape auch größerer Hagel möglich. Bei Auslöse rückseitig der Rinne stehen ebenfalls Starkregen und Hagelansammlungen im Fokus mit allerdings etwas "gebremsten Schaum". Ob es im südwestdeutschen Mittelgebirgsraum und an den Alpen bzw. im Vorland bereits tagsüber zur Auslöse reicht, ist genauso unklar, wie weit die Gewitter im laufe der Nacht nach Osten vorankommen. Mit Annäherung des Troges ist dann aber durchaus mehr dynamische Hebung im Spiel, worauf auch die Konvektion erlaubenden Modelle mit einer zunehmenden Gewittertätigkeit anspringen. Nach wie vor steht Starkregen bis hin zu Unwetter im Fokus, während das Potenzial für Hagel und Sturmböen bei abgehobener Konvektion und stabiler Grundschicht abnehmen.

Ansonsten steht am Samstag für den Großteil des Landes nochmals ein sonniger und sehr warmer bis heißer Tag ins Haus. Inwieweit Wolken und Saharastaub im Westen und Süden bereits die Maxima dämpfen, bleibt abzuwarten, auf jeden Fall ist die Wärmebelastung aufgrund der hohen Taupunkte ziemlich hoch. Die Höchstwerte liegen meist zwischen 27 und 34 Grad, lediglich an den Küsten und im Nordosten wird es nicht ganz so warm.
Im Osten und Südosten bleibt es dann auch bis Sonntagfrüh noch trocken und in einigen Landesteilen dürfte eine unangenehm milde bis warme Nacht ins Haus stehen, vor allem im Südwesten und in der Mitte, während es ganz im Westen und Nordwesten mit den Gewittern bereits etwas abkühlt.

Modellvergleich und -einschätzung

Der grobe Fahrplan steht. Im Detail ergeben sich natürlich Differenzen, die Konvektion vor allem am Samstag und in der Nacht zum Sonntag betreffend. Die Gewitter ab Samstagnachmittag bis in die Nacht zum Sonntag weisen durchaus Unwetterpotenzial auf und rechtfertigen eventuell auch die Ausgabe einer Vorabinformation.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff