Neue Intensitätsklassifikation für Tornados: Die Internationale Fujita Skala (IF)


Wir stellen die neue allgemeingültige Skala für die Tornadointensität vor, die Wissenschaftler in Europa in den vergangenen Jahren entwickelt haben und die nun auch beim Deutschen Wetterdienst Anwendung findet.

Tornados gehören zu den gefährlichsten und schadensträchtigsten Wetterereignissen weltweit. Da es sich um verhältnismäßig kleinräumige Phänomene handelt, gestaltet sich die direkte Messung der Windgeschwindigkeiten innerhalb des Tornados aber sehr schwierig. Selbst "indirekte" Messungen mit Hilfe von Fernerkundungsinstrumenten wie dem Wetterradar oder die Abschätzung durch die photogrammetrische Analyse von Bildern und Videos des Tornados unterliegen mitunter Ungenauigkeiten. So bleibt am Ende meist nur die Abschätzung der Windgeschwindigkeiten anhand von Schadensbildern.

Eine solche schadensbasierte Intensitätsskala wurde bereits 1971 vom amerikanisch-japanischen Meteorologen Ted Fujita entwickelt. Die Fujita-Skala (F) enthielt ursprünglich 12 Stufen von F1 bis F12, wobei jeder Stufe ein exakt definierter Windgeschwindigkeitsbereich zugewiesen wurde. Die Windgeschwindigkeiten wurden im zweiten Schritt mit groben Schadensausmaßen qualitativ verknüpft, um die Tornadointensität zu bestimmen. Die Schadensindikatoren waren aber noch sehr generell und ohne wissenschaftliche Basis. Mit der Einführung der "Erweiterten Fujita Skala" (EF) wurde in den Vereinigten Staaten im Jahre 2007 eine neue Intensitätsskala präsentiert, die zwar auf der ursprünglichen F-Skala basierte, aber deutlich spezifischere Schadensindikatoren und eine wissenschaftlich fundiertere Assoziation zwischen Windgeschwindigkeiten und Schäden beinhaltete.

Die Schadensindikatoren selbst basieren allerdings auf der typisch nordamerikanischen Leichtbauweise und sind deswegen nicht 1:1 auf andere Orte der Welt übertragbar. So gibt es weltweit eine Vielzahl an mehr oder weniger stark modifizierten Intensitätsskalen wie die Kanadische EF-Skala, die japanische EF-Skala oder die TORRO-Skala, die in Großbritannien entwickelt und von TorDACH (dem Kompetenzzentraum für lokale Unwetter in Deutschland, Österreich und der Schweiz) für Mitteleuropa angepasst wurde.

Wissenschaftler des ESSL (European Severe Storms Laboratory) und diverser Wetterdienste kamen in mehreren Workshops seit 2014 zusammen, um eine möglichst allgemeingültige Tornadoklassifikation zu entwickeln, die weltweit ohne weitere Anpassung angewendet werden kann: Die Internationale Fujita Skala (IF). Sie basiert auf den ersten 5 Stufen der ursprünglichen F-Skala, allerdings werden den Stufen keine fest abgegrenzten Windgeschwindigkeits-Intervalle zugeordnet, sondern nur Richtwerte. Zudem soll es sich bei den Windgeschwindigkeiten nicht mehr um Mittelwerte des horizontalen Windes in 10 Metern Höhe handeln, sondern um instantane 3-dimensionale Windgeschwindigkeiten auf Schadenshöhe, sodass auch Radardaten und photogrammetrische Analysen herangezogen werden können. Damit möchte man den real auftretenden maximalen Windgeschwindigkeiten näherkommen. Um eine feinere Unterscheidung vornehmen zu können, werden zwischen Stufe IF0 und IF3, wo sich die große Mehrheit der Ereignisse einsortieren dürfte, Halbstufen eingeführt (siehe Abbildung 1).

Die wichtigste Errungenschaft der neuen IF-Skala ist allerdings die deutliche Erweiterung der Liste der Schadensindikatoren (Hausdächer, Fahrzeuge, Bäume, Windmessung, ...) und die Berücksichtigung von unterschiedlicher Bauweise, Struktur oder Widerstandsfähigkeit des Schadensindikators bzw. der Art der Messung. Abbildung 2 zeigt die vollständige Liste der Schadensindikatoren (Damage Indicators). Aus der Kombination aus Schadensindikator, Bauweise (Subclasses) und Schadensausmaß (Degrees of Damage) lässt sich mit einer Matrix jeweils eine IF-Stufe ableiten. Der Tornado erhält schließlich die aus dieser Ableitung hervorgehende höchste IF-Stufe, basierend auf dem schlimmsten Schaden bzw. der höchsten Windgeschwindigkeit, die er produzierte. Selbstverständlich können auch andere, nicht-tornadische Windereignisse auf diese Weise klassifiziert werden.

Die Ergebnisse der Analysen werden auf der European Severe Weather Database (ESWD) veröffentlicht, inklusive der IF-Klasse und des dafür entscheidenden Schadensindikators.

Tiefergehendes Material zum Thema "Internationale Fujita Skala" und Beispiele erhalten Sie auf der Seite des ESSL (siehe Link unter diesem Text).


Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.04.2024

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