Ein Januar auf Höhenflug

Der Januar befindet sich im Hinblick auf die Temperatur auf einem Höhenflug. Ob er diesen fortsetzt oder einen Sinkflug einleitet, erfahren Sie im heutigen Thema des Tages.

Nach dem rekordverdächtig warmen Jahreswechsel setzte sich das zeitweise ungewöhnliche milde Wetter in den ersten Tagen des neuen Jahres mit nur wenigen Abstrichen fort. Der Januar befindet sich im Hinblick auf die Temperatur auf einem beständigen Höhenflug. Wie die Abbildung unten zeigt, stabilisierte sich die über alle DWD-Stationen gemittelte Mitteltemperatur des laufenden Monats bei etwa 8 °C. Zum Vergleich: Das entspricht einer Temperatur, die man auf Grundlage des vieljährigen Mittelwertes der Jahre 1991-2020 eher Mitte April erwarten darf. Der letzte April 2022 beispielsweise schaffte am Ende nur einen Wert von gut 7,8 °C. Der sagenhafte Wert von fast 12 °C vom 01. Januar entspricht sogar eher den Mittelwerten für Mitte Mai!


Verantwortlich für die ungewöhnlich hohen Temperaturwerte zeichnet sich eine beständige "zyklonale Westlage", eine von westlichen Winden und Tiefdruckeinfluss geprägte Großwetterlage. Der Westwind sorgt dafür, dass milde Meeresluft vom Atlantik nach Mitteleuropa geführt wird. Böiger Wind und dicke Wolken verhindern zudem, dass sich die Luft in den noch langen Nächten stärker abkühlen kann.

In den kommenden Tagen bleibt diese Wetterlage weiterhin vorherrschend, allerdings macht sich hinter ostwärts schwenkenden Kaltfronten immer häufiger auch mal Meeresluft polaren Ursprungs bemerkbar. Diese ist von Natur aus kälter, allerdings wirkt die gute Durchmischung, also rege Umwälzungsprozesse, sowie ein stetiger Luftmassenaustausch dafür, dass die einfließende Meereskaltluft nicht "altern" kann. Das bedeutet, ihr bleibt keine Zeit, zur Ruhe zu kommen und sich weiter abzukühlen. Zudem hat die Luft aufgrund ihres maritimen Charakters, der eine hohe Luftfeuchtigkeit bedeutet, ohnehin ein begrenztes Abkühlungspotenzial. Den kurzzeitigen Polarluftvorstößen zum Trotz bleibt es also insgesamt zu mild für die Jahreszeit, auch wenn die Abweichungen vom Klimamittel tendenziell eher etwas zurückgehen.

Es wundert daher nicht, dass die Modelle von einer nur langsamen Abnahme der Mitteltemperatur ausgehen. In der obigen Abbildung ist der auf verschiedenen Berechnungen des US-amerikanischen Wettermodells GFS und des deutschen Wettermodells ICON-EU basierende, weitere Verlauf der Mitteltemperatur dargestellt. Zum Ende der ersten Dekade wird eine durchschnittliche Mitteltemperatur von etwa 7,5 °C modellübereinstimmend berechnet. Damit wird die 1. Januardekade wahrscheinlich die wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, wie man der Abbildung unten entnehmen kann. Der bisherige Rekordhalter des Jahres 2007 wird nochmal deutlich übertroffen. Von eisigen Mitteltemperaturen von unter -4 °C, die die zehn kältesten 1. Januardekaden allesamt hervorgebracht haben, ist man meilenweit entfernt.


Auch in der 2. Januardekade soll die Mitteltemperatur nach Berechnungen von GFS nur geringfügig weiter zurückgehen. Mit rund 6 °C wäre man aber immer noch auf Rekordkurs. Es bräuchte schon einen echten Temperatursturzflug in der 3. Dekade, um einem weiteren Temperaturrekord noch aus dem Weg zu gehen.


Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.01.2023

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