Tief über Mitteleuropa bringt Unwetter


Ein Tief über Mittel- und Südeuropa brachte schwere Unwetter mit Orkanböen auf Korsika und in Südösterreich, Hagel in Norditalien, Überflutungen im Vorarlberg und heftigen Starkregen in Teilen Süd- und Ostdeutschlands. Das ist die Bilanz einer Tiefdruckzone, die über Mitteleuropa gezogen ist.


Nach der lang anhaltenden Hochdruckdominanz, die in weiten Teilen Mittel- und Südeuropas für Dürre sorgte, hat sich die Wetterlage vorübergehend umgestellt. Ein Tiefdruckgebiet zog über Mittel- und Südeuropa, woraus sich eine gefährliche Wetterlage entwickelte. Los ging es bereits am Donnerstagmorgen, als ein kräftiges Tief in höheren Luftschichten von Nordspanien ins westliche Mittelmeer zog. Auf der Vorderseite wurde in mittleren Luftschichten trockene nordafrikanische Luft herangeführt. Das Mittelmeer ist für die Jahreszeit zu warm und stellte somit sehr feuchte Luft in Bodennähe bereit. Sie bietet den Gewittern reichlich Energie für starke Entwicklungen. Hinzu kam noch, dass der Jet-Stream in der Höhe um das Tief herumgeholt wurde und somit für einen kräftigen Höhenwind sorgte. Solche Bedingungen nennt man auch "Loaded-Gun-Situationen". Man kennt sie am ehesten von der Gewittersaison in den Great Plains. Somit hat sich über dem nordwestlichen Mittelmeer in dieser explosiven Mischung in der Nacht zum Donnerstag eine Gewitterlinie formiert, die sich zu einem sogenannten Bow-Echo, eine bogenförmige Gewitterlinie, entwickelt hat. Solche Bow-Echos bilden ihren eigenen Jet, wodurch in mittleren Luftschichten enorme Windgeschwindigkeiten erreicht werden, die dann bis zum Boden "heruntergezogen" werden können. Die Struktur ähnelte dabei jener beim Pfingstunwetter in Nordrhein-Westfalen, das 2014 dort verehrende Schäden anrichtete. Dieses Bow-Echo traf in den Morgenstunden mit extremen Böen mit über 200 km/h auf Korsika. Zum Vergleich, beim Pfingstunwetter lagen die maximalen Böen um 150 km/h.

Das ganze System zog schnell weiter über Norditalien und traf am Nachmittag auf Slowenien und Südösterreich und richtete dabei erheblich Schäden an. Durch umgestürzte Bäume gab es dabei mehrere Tote. Am Abend bildeten sich über Norditalien noch einige Superzellen, die besonders in der Region um San Marino sehr großen Hagel mit Korngrößen bis zu 12 cm brachten.

Auch Deutschland wurde von Unwettern nicht verschont. Bei uns führte allerdings der Starkregen zu Problemen. In der Nacht zum Freitag bildete sich um ein Tief über Südostdeutschland ein größeres Gewittergebiet über dem Süden Baden-Württembergs und vom Vogtland bis nach Vorpommern mit teils kräftigen Starkregen.

Am Freitag setzten sich die teils gewittrigen Niederschläge fort. Besonders betroffen war die Region von Schwaben bis zum Bodensee, das Allgäu sowie Teile Oberbayerns. Dort fielen teilweise über 100 l/m², was mancherorts der sonst üblichen Monatssumme entspricht. Durch den Stau an den Alpen schüttete es im Vorarlberg bei Bregenz fast 200 l/m² in nur wenigen Stunden. Wodurch erheblich Überflutungen verursacht wurden.
Die Wetterlage hatte durchaus Ähnlichkeit mit der Lage, die im Juli 2021 zur Hochwasserkatastrophe im Ahrtal führte. Dabei zapfte das Tief über Mitteleuropa feuchte Mittelmeerluft an. In einem sich um das Tief herumwickelnden Niederschlagsband kam es zu schauerartig verstärkten, gewittrigen Niederschlägen, die nur sehr langsam ziehen und durch das Eindrehen immer wieder dasselbe Gebiet trafen und dort teils extreme Mengen brachten. So eine Lage ist immer eine große Herausforderung für die Meteorologen, denn die Wettermodelle haben große Schwierigkeiten bei der genauen Prognose.
In diesem Fall waren die Auswirkungen vergleichsweise gering. Denn durch das hohe Niederschlagsdefizit der vergangenen Monate führten die Flüsse und Bäche größtenteils Niedrigwasser, der Boden konnte noch viel Wasser aufnehmen und war im Süden noch nicht so ausgetrocknet, dass eine schnelle Wasseraufnahme verhindert wurde. Zudem ist die betroffene Region nicht so sehr anfällig für Starkregenereignisse.

In den nächsten Stunden lassen die Regenfälle weiter nach unwetterartigen Starkregen gibt es nur noch lokal. Vor allem in Teilen des Westens, der kaum Regen abbekommen hat, geht unterdessen die Dürre weiter. Flächendeckende Niederschläge sind bis nächste Woche Donnerstag dort nicht in Sicht. Denn ein neuer Azorenhochkeil weitet sich nach Deutschland aus und bring in der kommenden Woche sonniges und zunehmend wieder heißes Wetter.


Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.08.2022

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