Der Monstertornado von El Reno - Teil 2

Im zweiten Teil zum El-Reno-Tornado von 2013 legen wir den Fokus auf die 40 Minuten, die der Tornado wütete, und auf die damit verbundenen, mitunter dramatischen Ereignisse.

Die atmosphärischen Bedingungen über Oklahoma waren am 31.05.2013 optimal für die Entstehung von Superzellen, also rotierenden, sehr gefährlichen Gewittern: In den unteren Luftschichten wurde feuchtheiße Luft vom Golf von Mexiko herangeführt, darüber legte sich trockenere und kühlere Luft aus den Rocky Mountains. Es entstand eine extrem energiegeladene Luftmasse (für Kenner: CAPE-Werte von bis zu 6000 J/kg). Dazu kam eine sehr gute Windscherung, also eine mit der Höhe starke Zunahme und Drehung des Windes.

Kein Wunder also, dass sich bei diesem Setup im Laufe des Nachmittags zahlreiche Sturmjäger im Raum El Reno, rund 40 km westlich von Oklahoma City, positionierten - in Erwartung, dass dort die explosive Luftmasse zu zünden beginnt. Gegen 16.30 Uhr (Ortszeit) war es dann soweit. Die Luft war soweit aufgeheizt, dass die ersten Gewittertürme in die Höhe schossen und sich rasch zu Superzellen entwickelten. Eine davon produzierte um 18.03 Uhr einen Tornado, der in die Geschichte eingehen wird: den El-Reno-Tornado! Er entwickelte sich rasch zu einem sogenannten Multivortex-Tornado, also einem Tornado, der am Boden nicht nur einen, sondern mehrere Wirbel aufwies, die wie wild innerhalb des "eigentlichen" Tornados umherwirbeln.

Wie im gestrigen Thema des Tages bereits geschrieben (siehe https://t1p.de/iyjyn), war die Zugbahn des Tornados sehr untypisch. Er änderte mehrfach sowohl seine Zugrichtung als auch seine Zuggeschwindigkeit. Der Tornado zog nicht wie "gewöhnlich" mit der Superzelle nordostwärts, sondern zunächst südostwärts, in einen Bereich, in dem man vermeintlich vor Tornados sicher ist. Gleichzeitig hat man dort im Allgemeinen erhöhte Chancen auf einen guten Blick auf den Tornado. Aus diesen Gründen hatten sich in diesem Bereich einige Sturmjäger positioniert, die dann aber plötzlich selbst zu Gejagten wurden.

Trügerisch war zudem, dass der Tornado um einiges größer war als der sichtbare, auskondensierte Rüssel. Als der Tornado in südöstliche Richtung unterwegs war, hatte der sichtbare Tornado einen Durchmesser von etwa 500 m, nach Auswertungen von Radardaten betrug der tatsächliche Durchmesser des Tornadowindfelds (Windgeschwindigkeiten ab 104 km/h) allerdings bereits rund 2,5 km! Auch das wurde einigen Jägern zum Verhängnis, wie Sie später lesen werden.

Die weitere Zugbahn samt Ausdehnung des Tornados sehen Sie in der beigefügten Grafik des National Weather Service (NWS), wobei als Maßstab unten rechts 2 Meilen angegeben ist, umgerechnet also etwa 3,2 Kilometer (siehe https://t1p.de/1bbkt). In einem Analysevideo des NWS (zu finden unter https://t1p.de/4m1jr) wird zudem noch die Zuggeschwindigkeit dargestellt. Nachdem der Tornado demnach wie beschrieben zunächst nach Südosten zog, wendete er sich um 18.09 Uhr unter Beschleunigung nach Osten. Um 18.13 Uhr bremste er abrupt ab, scherte für gerade einmal drei Minuten nach Nordosten aus, um sich schließlich wieder unter deutlicher Beschleunigung nach Südost und Ost zu wenden. Gegen 18.19 Uhr zog er dann unter erneuter Verlangsamung nach Nordost zur Interstate 40 südöstlich von El Reno. Nach ihrer Überquerung gegen 18.27 Uhr und mehr oder weniger mehrminütigem Stillstand, wütete der Tornado weiter in östliche Richtung, teils an ihr entlang, teils direkt auf ihr. Um 18.43 Uhr löste er sich endlich auf.

Eine weitere beliebte, gleichzeitig aber auch gefährliche Position beim Jagen von Tornados bzw. Superzellen ist der Bereich der Superzelle zwischen dem Hagelkern (in diesem Fall) nördlich und dem Tornado (in diesem Fall) südlich des Beobachtungspunktes. Auch dort hatten sich einige Tornadojäger eingefunden und fuhren mit dem Tornado ostwärts. Das Problem: Durch die unglaubliche Größe des "unsichtbaren" Tornadowindfeldes (in der Spitze über 4 km Durchmesser) gelangten einige Jäger in dieses Windfeld hinein. Da der Wind um den Tornado gegen den Uhrzeigersinn wehte, herrschte im Bereich der Jäger - also nördlich des Tornados - heftiger Gegenwind, wodurch ihre Fahrgeschwindigkeit enorm abnahm. Als der Tornado, der zeitweise knapp 90 km/h schnell unterwegs war, gegen 18:19 Kurs Richtung Nordost einschlug, wurden manche dieser Jäger schlicht von ihm überrollt.

Acht Tote, zahlreiche Verletzte und massive Schäden an vornehmlich landwirtschaftlicher Infrastruktur waren das traurige Endergebnis des El-Reno-Tornados. Er geht als bisher größter, aber auch einer der am besten dokumentierten Tornados in die Geschichte ein. Eine sehr detaillierte Analyse dieses Ereignisses durch den National Weather Service finden Sie unter https://t1p.de/emc6y. Außerdem gab es ein Projekt, in dem die Livestreams zahlreicher Sturmjäger, ihre jeweiligen Standpunkte und die Radarbilder für die Zeit, in der der Tornado wütete zusammengefasst wurden
(http://el-reno-survey.net/ted/). Ziel dieser Analysen und Aufbereitungen ist es, diejenigen, die sich auf die Sturmjagd machen, auf die Unberechenbarkeit eines Tornados hinzuweisen.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.06.2022

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