Schwerewellen in der Atmosphäre und ihre Auswirkungen

Physikalisch gesehen gibt es verschiedene Arten und Entstehungsmechanismen von Schwerewellen. Inwieweit dieses früher oft als atmosphärischer Lärm bezeichnetes Phänomen die Unsicherheiten gerade für längerfristige Wettervorhersagen bestimmt, soll kurz erläutert werden.

Physikalisch gesehen entstehen Schwerewellen durch Schwingungen oder Auslenkungen der Luftsäule um einen Gleichgewichtszustand herum und können daher vom Prinzip her mit einem Federschwinger verglichen werden, also einem Gewicht, das an einer Feder unter dem Einfluss der Schwerkraft und eines atmosphärischen Auftriebs (großräumige Hebung der Luftpartikel) hoch- und runterschwingt. Diese Oszillationen generieren dann Wellenbewegungen, die sich horizontal und vertikal in der Atmosphäre ausdehnen.

Die Ursache dafür, dass die Luft in Schwingung versetzt wird, können verschiedener Natur sein. Häufig sind in der freien Atmosphäre horizontale und vertikale Dichte- und damit Temperaturunterschiede zwischen benachbarten Luftschichten die Ursache für Vertikalbewegungen der Luftsäule.

Brechende Schwerewellen entstehen hingegen, wenn sich die Wellen einerseits in verschiedenen optischen Medien (ähnlich wie brechende Wasserwellen im Flachwasser), also in Schichten verschiedener Luftdichte bewegen, z.B. Schichtung instabil (größere Temperaturabnahme mit der Höhe) über einer stabilen Schicht (Temperaturabnahme mit der Höhe geringer). Andererseits kann die vertikale Windscherung, also in der Regel die Windzunahme mit der Höhe im Zusammenspiel mit der turbulenten Reibung zwischen den Luftteilchen dann auch Rotationsbewegungen auslösen, d.h. Auf- und Abwinde, die ebenso Schwerewellen generieren (siehe auch beigefügtes Bild). Dann entstehen so genannte Kelvin-Helmholtz-Wellen, die oft begleitet sind von mit der Höhe zunehmend turbulenter Strömung (Windzunahme mit der Höhe). Auch die so genannte Clear Air Turbulenz gerade im Bereich des Jet Streams aufgrund starker vertikaler Windscherung entsteht auf diese Art und Weise.

Nicht zu vergessen sind auch die durch starke Vertikalbewegungen bei Konvektion, gerade in den Tropen hervorgerufenen Schwerewellen, die sich teils bis in die Mesosphäre (in etwa 50 bis 80 km Höhe) übertragen und dort sogar die Strahlungsbilanz und damit die Temperaturen modifizieren können. Zu guter Letzt seien auch noch die so genannten Lee- oder Gebirgswellen erwähnt, wobei dort die Auslenkung der Luftsäule hinter dem Hindernis durch die entsprechend vorhandene Orografie vorgegeben ist. Dann erscheinen im Lee der Gebirge wellenförmige Wolkenmuster einer stehenden Welle in zumeist stabiler Schichtung.

Es gibt noch andere Unterarten von Schwerewellen, auf die nicht im Einzelnen eingegangen werden soll. Vielmehr wird hier auf einschlägige Fachliteratur für interessierte Leser verwiesen ( https://ms-gwaves.iau.uni-frankfurt.de/index.php/de/schwerewellen-in- der-atmosphaere.

Inwieweit werden Schwerewellen in den numerischen Wettermodellen berücksichtigt und welche Auswirkungen können diese auf die Wettervorhersage ausüben?

Generell gibt es derzeit in den Globalmodellen wie IFS oder GFS gewisse Einschränkungen bei den Modellgleichungen, die Vertikalbewegungen und damit Schwerewellen nur bedingt berücksichtigen. Anders sieht das bei hochauflösenden Modellen wie
z.B. dem COSMO D2 (künftig ICON D2) aus, wo unter anderem auch solche Phänomene bei einer horizontalen Auflösung von 2,2 km und vertikal gerechneten 65 Schichten mit den prognostischen Gleichungen relativ genau simuliert werden können.

Nun zu den Auswirkungen der Schwerewellen. Früher wurden diese gern als atmosphärische Nebengeräusche abgetan. Heutzutage weiß man, dass diese Störungen in verschiedenen Bereichen der Troposphäre (unterste Schicht, bis ca. 9 (Pole) bis 17 km (Äquator) reichend) und auch Stratosphäre (rund 13 bis 50 km Höhe), ja selbst in der Mesosphäre (siehe oben) allgemein gesagt die Unsicherheiten der Vorhersage diverser meteorologischer Parameter mit der Zeit vergrößern, insofern diese nicht ausreichend berücksichtigt werden. Hier einige Beispiele dafür:

Einfluss von kleinräumigen Schwerewellen orographischen Ursprungs auf die prognostizierte synoptische Strömung, was durch entsprechende Formulierungen parametrisiert wird, durch brechende Schwerewellen angeregte Clear-Air Turbulenz (siehe oben, Stichwort Windscherung), oder der Einfluss von Schwerewellen auf hohe Zirren und polare stratosphärische Wolken.
Schwerewelleneffekte in der mittleren Atmosphäre. Die Mesosphäre ist gekennzeichnet durch eine starke Abweichung des Temperaturfeldes vom Strahlungsgleichgewicht. Dieses Ungleichgewicht überträgt sich auch auf die zonalen Winde (also Westwinde) und bildet den wahrscheinlich am meisten herausragenden Effekt des Brechens von Schwerewellen und des damit verbundenen Eintrags von Impuls und Energie in die Atmosphäre.

Die Schwerewellendynamik in der Stratosphäre ist jedoch von nicht minderer Bedeutung. Es konnte gezeigt werden, dass Variationen der orographischen Schwerewellen einen direkten Einfluss sowohl auf das Klima der Troposphäre als auch auf die Temperaturvariabilität in der Stratosphäre haben, was wichtige Auswirkungen für die stratosphärische Ozonchemie mit sich bringt.

Als Schlussfolgerung lässt sich festhalten, dass Schwerewellen aufgrund ihrer vielfältigen Dynamik und vor allem ihres Energieeintrags in nahezu die gesamte Atmosphäre künftig noch besser gerade in den Globalmodellen zu berücksichtigen sind. Dadurch steigen auch die Chancen für bessere Langfristvorhersagen.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.12.2019

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