Tiefdruckkarussell

Vor allem der westliche und zentrale Mittelmeer- sowie der Alpenraum ist in dieser Woche von teils heftigen Wettervorgängen betroffen. Dabei reicht die Spanne von Starkregen über kräftige Schneefälle bis hin zu hohen Windgeschwindigkeiten.

Irgendwo in Deutschland gibt es in diesen Tagen sicherlich einen Mann namens Günther, der bei jedem seiner Blicke auf die aktuellen Wetterkarten hoch erfreut sein wird. Die besagte Person hat sich nämlich das Namensrecht für das zurzeit wetterbestimmende Tief gesichert und bekommt für sein Geld doch einiges mehr geboten. Immerhin steht sein Name nicht wie sonst üblich nur mit einem einzigen Tief in Verbindung, sondern es tummeln sich sogar drei solcher Druckgebilde mit seinem Namen (GÜNTHER I bis III) über Europa.

Die Ursache für die rege und nun schon einige Zeit anhaltende Tiefdrucktätigkeit über West- und Südeuropa ist zunächst in den höheren Schichten der Atmosphäre zu suchen. In diesen Niveaus strömt nämlich kühle bis kalte Luft aus den nördlichen europäischen Breiten bis in den Süden Spaniens. Im Zusammenspiel mit dem noch relativ warmen Oberflächenwasser des Mittelmeers ergeben sich nun beste Voraussetzungen für die wiederholte Entstehung von Tiefdruckgebieten, die unter anderem auch zu kräftigen Niederschlagsprozessen führen. Ganz besonders kommen diese in jenen Regionen zur Geltung, in denen ein sogenannter "Stau" wirken kann. Trifft eine feuchte Luftströmung auf ein Hindernis, ist diese in den meisten Fällen zum vertikalen Ausweichen gezwungen. Dabei kann die Luft mit zunehmender Abkühlung aber weniger Wasserdampf halten, folgerichtig kommt es besonders in solchen "Staulagen" zu kräftigen Niederschlägen.

Bei der aktuell vorherrschenden südlichen Strömung sind diese Staulagen natürlich in den Süd- und teilweise noch im Bereich der Zentralalpen zu finden. Doch es blieb in vielen Regionen des Alpenraums in den letzten Tagen nicht nur beim Regen, denn die Temperaturverhältnisse ließen auch die feste Niederschlagsphase zu. So kam es in vielen Tälern zu einem ersten kräftigen Wintereinbruch mit für die Jahreszeit deutlich überdurchschnittlichen Neuschneehöhen.

Diese Wetterlage von Wochenbeginn wiederholt sich nun nochmals. Bereits in der Nacht auf den heutigen Freitag sorgte ein Tief über den Golf von Genua von den französischen Alpen über die Schweizer Südalpen bis nach Südtirol für kräftigen Regen, der in mittleren und höheren Lagen als Schnee niederging. Entsprechende Verkehrsbehinderungen waren die Folge, teilweise war auch die Energieversorgung eingeschränkt. Heute tagsüber ist vor allem die Region von Südtirol bis nach Oberkärnten und Slowenien von kräftigen Niederschlägen betroffen. Eine Herausforderung ist dabei besonders die Bestimmung der Schneefallgrenze, da diese in orographisch gegliedertem Gelände von mehreren Randbedingungen abhängig ist. Es kann durchaus passieren, dass diese für jedes Tal je nach Niederschlagsstärke, Temperaturschichtung, Talquerschnitt und -orientierung separat prognostiziert werden muss.

"Wir" im Norden des Alpenhauptkammes bekommen von diesen spannenden Wettervorgängen aber verhältnismäßig wenig ab. Die Barriere der Alpen sorgt nämlich dafür, dass der Niederschlag zunächst nicht nach Deutschland ausgreifen kann. Ganz im Gegenteil: an den Alpen herrscht bei einer solchen Wetterlage starker Föhn, der auf den Berggipfeln für Orkanböen sorgt und in den Tälern zumindest mit starken bis stürmischen Böen deutlich spürbar ist.

Zu einer Wetterumstellung kommt es aber bereits im Laufe des heutigen Tages. Die eher wieder nordwestwärts gerichtete Zugbahn von GÜNTHER I über Frankreich und die Bewegung von GÜNTHER III vom Alpenrand in Richtung Norden sowie eine veränderte Konstellation in der höheren Atmosphäre sorgen nämlich dafür, dass dem Föhn in den nächsten Stunden zumindest vorübergehend die Kraft ausgeht. Damit einhergehend greifen im Laufe des Nachmittags erste Niederschläge über den Alpenhauptkamm nach Norden aus. Allerdings sind die Regenmengen bei weitem nicht mit jenen südlich der Alpen vergleichbar, denn vom Alpenrand bis zum Main werden lediglich 3 bis 5, stellenweise um 10 Liter pro Quadratmeter erwartet. Allerdings mischen sich oberhalb etwa 1000 m auch ein paar Schneeflocken hinzu. In der Nacht weitet sich der leichte bis mäßige Regen schließlich auch in den Norden und Nordosten Deutschlands aus.

Tiefdruckgebiete sind auch an den Folgetagen das entscheidende Wetterelement. Je nach genauer Zugbahn, die bei der aktuellen Wetterlage nicht immer exakt vorhergesagt werden kann, ist das Wetter in Deutschland mehr oder weniger wechselhaft. Es kristallisiert sich aber heraus, dass am Samstag vor allem im Norden etwas Regen fällt. Am Sonntag (ausgelöst durch Tiefdruckgebiete südlich und nördlich der Alpen) ist dann der Süden und Osten des Landes davon betroffen. Besonders südlich der Alpen kann es dann neuerlich zu starken Niederschlägen kommen. Das Tiefdruckkarussell bleibt also munter in Betrieb.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.11.2019

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