Konvergenzlinie - Eine Linie mischt die Atmosphäre auf!

Vincent lässt es krachen! Hitzehoch sagt adieu. Mit Zufuhr sehr feuchter, labil geschichteter Atlantikluft und den Hebungsprozessen im Umfeld einer Tiefdruckrinne, inklusive Konvergenzlinie, entwickeln sich teils schwere Gewitter.

Nun ist es endlich soweit, zumindest für einen Großteil der Bevölkerung: Hoch "Yvonne" hat sich nach Skandinavien verabschiedet und überlässt das Wettergeschehen über Mittel- und Westeuropa und somit auch Deutschland nun zunehmend Tiefdruckgebieten. Von Benelux und Frankreich her schiebt sich dabei Tief "Vincent" ins Land, eingebettet in eine Tiefdruckrinne, die von der Nordsee bis zum Balkan reicht und als seine "Spielwiese" dient.

Am heutigen Samstag beeinflusst "Vincent" zunächst das Wetter in der Südwesthälfte des Landes. In seinem Hoheitsgebiet strömt die Luft an einer sogenannten Konvergenzlinie zusammen und kommt dann kräftig in Wallung (vgl. Graphik). Da in der Atmosphäre bei jeder Bewegung auch Masse transportiert wird und die Atmosphäre nicht beliebig komprimierbar ist, schafft die Atmosphäre dort, wo Konvergenz (Zusammenströmen) und Divergenz (Auseinanderströmen) in der Horizontalen auftritt, vertikale Ausgleichsströme. Der resultierende Massenüberschuss am Boden wird dabei durch kompensierendes Aufsteigen ausgeglichen. Starke vertikale Luftumwälzungen lassen die Wolken schließlich in die Höhe schießen und lösen kräftige, teils unwetterartige Gewitter aus. Da die Verlagerungsgeschwindigkeit der Tiefdruckrinne um "Vincent" und somit auch die der Gewitter sehr gering ist, geht die Hauptgefahr in den betroffenen Regionen von heftigem Starkregen sowie Hagel aus.

Im Gegensatz zu den Luftmassengrenzen wie Warm- oder Kaltfront handelt es sich bei Konvergenzlinien um Phänomene, die meist innerhalb einer einheitlichen Luftmasse auftreten und somit keine/kaum nennenswerte thermische Gegensätze abtrennen.

Typische Konvergenzlinien entstehen in Mitteleuropa z.B. bei starker Warmluftzufuhr aus Südwesten in einem gewissen Abstand vor der nachfolgenden Kaltfront. Dabei markiert die Konvergenzlinie nicht selten die Achse der wärmsten Luft am Boden, die in der Höhe häufig von vorauseilender Kaltluft überlaufen wird. Nachfolgend stellen sich große vertikale Temperaturunterschiede ein, die schließlich vertikale Umwälzungen hervorrufen. Die Folge sind meistens starke Gewitter.

Neben der beschriebenen, dynamischen Entstehung einer Konvergenzlinie können auch thermische Bedingungen zusammenströmende Luftmassen auslösen. Kann sich der Erdboden und somit auch die bodennahen Luftschichten in einer schmalen Zone durch die Sonneneinstrahlung sehr stark aufheizen, kommt es ebenfalls zum Aufsteigen der warmen und daher leichteren Luft. Der Massenverlust am Boden muss schließlich durch zusammenströmende Luft ausgeglichen werden.

Bei den derzeitigen Wetterbedingungen lassen sich die teils schweren Gewitter aber nicht nur an der Konvergenzlinie von "Vincent" festmachen. Auf der West- bzw. Südwestseite der Tiefdruckrinne um "Vincent" fließt gleichzeitig sehr feuchte, labil geschichtete Luft ein, sodass auch abseits der Konvergenzlinie im süddeutschen Raum mit kräftigen Gewittern gerechnet werden muss. Zudem kommt im Nordosten mit einem überwiegend in höheren Luftschichten ausgeprägten Tief ein zusätzlicher Player auf das "Gewitterspielbrett" Deutschland.

Auch am morgigen Sonntag bleiben "Vincent" mit seiner Konvergenzlinie, die weiter in der Tiefdruckrinne eingebettet ist, sowie das Höhentief im Nordosten aktiv und spielen "Ping Pong" miteinander. Die "Gewitterspielwiese" verschiebt sich dabei aber langsam in die Osthälfte des Landes.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.07.2019

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