Vom Siebenschläfer bis zum Abendrot: Bauernregeln auf dem Prüfstand

Die Technik macht's möglich: Dank des Internets ist es möglich, von und für nahezu jeden Ort der Welt jederzeit eine Wettervorhersage einzuholen (zumindest wenn dies die Verbindungsgeschwindigkeit zulässt?). Auch sonst wird man durch Rundfunk und Zeitungen wettertechnisch immer auf dem Laufenden gehalten. Daran war früher natürlich nicht zu denken. Da die Menschen und insbesondere die Landwirtschaft damals wohl mindestens genauso vom Wetter abhängig waren wie heute, wurde versucht, mit gezielten und zum Teil langjährigen Beobachtungen den weiteren Ablauf des Wettergeschehens vorherzusagen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden schließlich oftmals sogar in Reimform niedergeschrieben und sind uns heutzutage als sogenannte Bauernregeln bekannt.

Auch wenn ihr Eintreten bei wortwörtlicher Betrachtung meist sehr stark mit dem Wörtchen "Zufall" in Verbindung steht, besitzen sie doch einige einen wahren Kern, vor allem, wenn man die Regeln etwas freier deutet. Nehmen wir uns zum Beispiel mal die Siebenschläferregelung vor: "Das Wetter am Siebenschläfertag noch sieben Wochen bleiben mag.". Würde man jedes Wort davon auf die Goldwaage legen, so müsste man also annehmen, dass auf einen sonnigen und trockenen 27. Juni ebenso sonnige und trockene sieben Wochen folgen. Natürlich kann man aber das Wetter der nächsten Wochen nicht an einem bestimmten Tag festmachen. Nimmt man diese Regel allerdings ein bisschen lockerer und betrachtet den Wettercharakter zwischen Ende Juni und Anfang Juli, so liegt die Trefferquote - zumindest für die nächsten drei bis vier Wochen - bei etwa 60 bis 70 %. Ähnlich verhält es sich mit den Eisheiligen und der Schafskälte: Hält man sich nicht allzu eng an den offiziellen Zeitraum, so gibt es auch hierbei eine erhöhte Eintrittswahrscheinlichkeit.

Doch wie steht es denn eigentlich mit zwei der wohl bekanntesten Bauernregeln: "Abendrot, gut Wetterbot." und "Morgenrot, schlecht Wetter droht."? Vor allem erstere "Behauptung" scheint mit der besonders in der Schifffahrt bekannten Regel "Abendrot macht Seemann tot." in eindeutigem Widerspruch zu stehen. Aber so komisch es auch klingen mag: Beide Thesen sind nicht vollkommen von der Hand zu weisen.

Wie es zur Entstehung von Morgen- und Abendrot kommt, wurde bereits im Thema des Tages "Warum ist der Himmel blau?" am 31.03.2019 genau beschrieben
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/3/31.html). Nochmals als kurze Erinnerung: Entscheidend ist die Streuung des Lichts an Partikeln innerhalb unserer Atmosphäre, also z.B. an Wasserdampfteilchen. Steht die Sonne nun relativ niedrig über dem Horizont (bei uns morgens und abends), so fällt auch ihre Strahlung entsprechend flach auf uns ein. Durch die starke Ablenkung ihres kurzwelligen Anteils (blau) kommt nur ihr roter Anteil bei uns an. Folglich sieht der Himmel für uns rötlich aus. Je feuchter nun die Luft ist, desto mehr Wasserdampfteilchen, also Streupartikel, befinden sich in ihr. Dadurch wird der Blauanteil noch mehr gestreut als sonst und der Himmel erscheint uns in einem tieferen Rot.

Da feuchte Luft viel eher zur Wolken- und damit auch zur Niederschlagsbildung neigt als trockene, kann ein tiefrotes Himmelsbild durchaus ein Indiz für baldigen Regen sein. Natürlich muss dabei auch die Luftströmung passen. Färbt sich morgens der Himmel Richtung Westen tiefrot, ist bei einer Ostströmung, also bei einer Strömung von Ost nach West, eher weniger mit Niederschlag zu rechnen, da dann meist trockene Kontinentalluft herangeführt wird.

Unter dem Strich sind Bauernregeln also eher nicht dazu geeignet, verbindliche Wettervorhersagen zu machen. Ein wahrer Kern lässt sich allerdings oftmals nicht leugnen. Mit 100 %-iger Sicherheit lässt sich wohl nur sagen, dass es egal ist, wer oder was, wann und wo kräht. Denn dann - um den Anfang des Einleitungstextes zu komplettieren - "ändert sich's Wetter oder es bleibt, wie's ist".

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.04.2019

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