Auf den Spuren des Schneetiefs

Die Vorhersage von winterlichen Niederschlagsereignissen ist auch in der heutigen Zeit mit all der Technologie wie Satelliten, numerischen Wettermodellen und Radargeräten nicht selten noch ein unsicheres Unterfangen. Das ist vor allem der Fall, wenn es um regionale Feinheiten geht, ob der Niederschlag in flüssiger oder fester Phase fällt (die gefrierende Phase wird hier ausgeklammert). Der Grund für diese Unsicherheiten ist das Zusammenspiel zahlreicher meteorologischer Parameter, die letztendlich über die Niederschlagsart entscheiden.

Zu nennen wäre da u.a. der Wind, der je nach Intensität die bodennah lagernde kalte Luftmasse mit der darüber liegenden milderen Luft durchmischen kann, sodass die Temperatur allein durch diesen Prozess beginnt, anzusteigen. Ein weiteres Beispiel ist die vertikale Verteilung der Luftfeuchtigkeit. Fällt der Niederschlag aus hohen Luftschichten in eine trockene bodennahe Schicht, beginnt der Niederschlag zu verdunsten. Durch die Verdunstung wiederum kühlt sich die Luftmasse ab (siehe Link zum DWD Wetterlexikon). Dieser Effekt fällt z.B. in Tälern ausgeprägter aus, da nur ein geringes Luftvolumen heruntergekühlt werden muss, sodass dort die Schneefallgrenze regional in kurzer Zeit bis in Tallagen absinken kann. In welcher Phase der Niederschlag den Boden erreicht, hängt auch sensibel von der vertikalen Temperaturverteilung ab. Wenn bodennah kalte Luft vorhanden ist und sich darüber wärmere Luft schiebt, kann der Niederschlag in dieser abgehobenen warmen Schicht in Regen übergehen. Fällt dieser dann in die darunterliegende kalte Luft, kann sich je nach Mächtigkeit der kalten Luftmasse darunter die Niederschlagsphase erneut ändern und aus Regen wieder Schnee werden. Diese sicherlich noch unvollständige Aufzählung zeigt aber bereits, dass die Vorhersage winterlichen Niederschlags einer Menge an Messdaten bedarf, wobei kleinste Änderungen große Auswirkungen auf den Niederschlag haben können.

Doch nicht nur die physikalischen Parameter haben einen Einfluss auf die (Un-)Sicherheit einer Schneefallvorhersage. Auch die Frage, wohin sich ein Tiefdruckgebiet verlagern und seine Niederschlagslast verteilen wird, ist von Bedeutung. Dies ist sehr gut in der beigefügten Grafik zu erkennen.

Im Abstand von rund einer Woche entwickelten sich in den USA zum vergangenen Jahreswechsel zwei Schnee bringende Tiefdruckgebiete, eines östlich der Rocky Mountains und ein weiteres in der Nähe des Golfs von Mexiko (siehe A]). Das erste zog Ende des vergangenen Jahres von Nordtexas über Oklahoma, Kansas und Nebraska weiter zu den Großen Seen. Dies ist eine recht klassische und wiederholt zu beobachtende Tiefdruckzugbahn. Das zweite Tiefdruckgebiet entwickelte sich im Osten von Texas und zog nordostwärts, später ostwärts nach North Carolina und dann die Ostküste der USA entlang über den Nordwestatlantik in Richtung Neufundland. Diese Zugbahn ist wiederum nicht so häufig zu beobachten und resultierte aus einer komplexen synoptischen Ausgangslage, welcher hier keine weitere Beachtung geschenkt werden soll.

Betrachtet man nun das Satellitenbild der NASA in B), fällt vor allem auf, wie regional begrenzt die jeweiligen Schneeereignisse ausfielen und wie unterschiedlich die Spuren der Schneetiefs aussehen. Die Spur des ersten Tiefdruckgebietes (hellblau umrandet) ist dabei eine recht klassische Erscheinung bei einer kräftigen Tiefdruckentwicklung. In diesem Fall wird die warme und feuchte Luft vorderseitig des Tiefdruckgebietes nach Norden geführt wird, umrundet das Tief und gleitet nordwestlich des Tiefkerns auf die kalte Luft auf. Diese Erklärung ist der Übersicht halber sehr rudimentär gehalten und fällt real deutlich komplexer aus. Kurz und knapp kann gesagt werden, dass es östlich und südlich des Schneestreifens zu warm war und Regen fiel, westlich davon war es hingegen zwar kalt, aber zu trocken für Niederschlag in Form von Schnee.
Beim zweiten Ereignis ist zu erkennen, dass nur in einem kleinen Bereich die Bedingungen für Schneefall gegeben waren. Die Kaltluft erfasste die östlichen Bereiche von Oklahoma nicht, sodass dort, wie auch in Texas, zumeist nur Regen fiel. Es verwundert nicht, dass bei diesem Ereignis bis kurz vor Einsetzen des Niederschlags Unklarheit herrschte, wie groß der Bereich mit Schneefall letztendlich ausfallen würde.

Wie bereits angesprochen, zeigen die den Meteorologen vorliegenden Wettermodelle im Vorfeld eines solchen Niederschlagereignisses nicht selten bis kurz vor Niederschlagsbeginn inhomogene Lösungen bezüglich der Zugbahn und der Intensität des jeweiligen Tiefdruckgebietes. Dies hat auch Folgen u.a. für die Temperaturverteilung. Da jedes Grad über Regen oder Schnee entscheiden kann, sind die Unsicherheiten auf regionaler Ebene nicht selten sehr groß und können sich beträchtlich auf die Ausdehnung und Lage eines Schneefallgebietes auswirken.

In Deutschland kommt neben den bereits genannten Unsicherheiten auch die komplexe Orografie hinzu, wo Stauniederschläge oder Abtrocknungseffekte im Lee eines Gebirges regionale Auswirkungen auf die Schneemengenverteilung haben. Dies alles zeigt, wie anspruchsvoll eine Schneefallvorhersage sein kann und wie hin und wieder Mutter Natur auch in der heutigen, technologisch fortgeschrittenen Zeit für die eine oder andere Überraschung sorgt, sodass eine erwartete Schneelage zum Leidwesen eines Schneefans regional doch noch ins Wasser fallen kann.

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.02.2019

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst