Die Schwächen der Nordatlantischen Oszillation

An dieser Stelle wurden Ihnen schon des Öfteren Zirkulationsmuster in der Atmosphäre und deren Auswirkungen auf das Wettergeschehen in Deutschland nähergebracht. Ein "Klassiker", auf den man dabei immer wieder stößt, ist die sogenannte "Nordatlantische Oszillation", kurz NAO. Letztmalig erfuhr sie die volle Aufmerksamkeit im Thema des Tages vom 13.11.2016.

Die Nordatlantische Oszillation beschreibt mit Hilfe des NAO-Index die Lage und Intensität der atlantischen Westwindzone. Die Grundlage dafür bilden die Luftdruckunterschiede der im klimatologischen Mittel anzutreffenden Druckgebilde mit dem Islandtief auf der einen und dem Azorenhoch auf der anderen Seite. Dabei entsteht eine Ausgleichsströmung, die bestrebt ist, diese Differenzen wieder auszugleichen. Diese Ausgleichsströmung, die wir als Wind wahrnehmen, findet ausgangsweise vom hohen zum tiefen Druck statt (von den Azoren nordwärts nach Island = Südwind). Sie wird aber infolge der Erdrotation (Corioliskraft) auf der Nordhalbkugel nach rechts abgelenkt. So ergibt sich effektiv ein Westwind. Positive NAO-Indizes sind dabei häufig mit mildem Wetter zur Winterzeit in Mitteleuropa verbunden, da mit einer strammen westlichen Strömung milde Luftmassen vom Atlantik weit landeinwärts (teilweise bis nach Osteuropa) transportiert werden. Sind die Druckgebilde hingegen schwächer als im Mittel ausgeprägt oder kehren sich gar um (Hoch bei Island, Tief bei den Azoren), so stellen sich gerne sogenannte blockierende Wetterlagen ein. Dann können sich kalte Luftmassen leichter über Mitteleuropa ausbreiten (selbst bilden oder aus Norden/Osten zu uns gelangen).
Der klassische NAO-Index basierte noch auf den stationsgebundenen Luftdruckgegensätzen zwischen Ponta Delgada (Azoren) und Reykjavik (Island). Moderne Verfahren berücksichtigen mehr die Gesamtsituation. So schaut man sich basierend auf der numerischen Wettervorhersage Druckabweichungen in höheren Luftschichten (ca. 5,5 km) an und zwar auf größeren räumlichen (zwischen 20 Grad nördlicher Breite und dem Nordpol) und zeitlichen Skalen (Referenzzeitraum 1950-2000).

Doch genug zur Theorie. In der Praxis stellt sich die Großwetterlage aktuell wie folgt dar: Südlich des umfangreichen Tiefs JANNO mit Kern von rund 975 hPa bei Island erstreckt sich ein Bereich hohen Luftdrucks vom Seegebiet westlich der Azoren bis knapp westlich von Portugal, der lediglich durch ein kleinräumiges, schwaches Tief unterbrochen ist. Folglich ist der NAO-Index positiv, was auch den Berechnungen des amerikanischen Klimavorhersagezentrums zu entnehmen ist. Demnach liegt der Wert nahe +1 (siehe angehängte Grafik). Und dennoch ist das Wetter bei uns winterlich! Wie passt das zusammen? Zum einen gibt es trotz statistischer Häufung natürlich immer Ausnahmen. Im aktuellen Fall verdanken "Kälteliebhaber" diese Ausnahme dem Hoch BRIGIDA über Südostpolen, dessen Einflüsse noch bis zu uns reichen. Sobald also in irgendeiner Form ein "schützendes" Hoch über Nord- oder Mitteleuropa liegt, tun sich die Protagonisten über dem Atlantik mitunter schwer. Zum anderen verweisen Studien darauf, dass Zusammenhänge zwischen positivem NAO-Index eine statistisch erhöhte Häufigkeit mit milden Temperaturen und viel Regen vor allem für Norddeutschland zutreffen, für Süddeutschland hingegen weniger. Das hängt vorrangig mit der Orographie zusammen. Gerade in den Tälern und Senken hält sich vorhandene Kaltluft (Kaltluftseen) bei nur geringen Windgeschwindigkeiten häufig sehr zäh. Ein entscheidender Faktor ist zudem die Position des Islandtiefs. Je weiter östlich, desto größer die unmittelbare Schubkraft der milden Atlantikluft. Bei einem Tiefkern westlich von Island stiegen beispielsweise die Chancen, dass eine bereits bestehende Blockade über Mitteleuropa hält.

Fazit:
Allein den NAO-Index zu Rate zu ziehen um abzuschätzen, ob eine winterlich geprägte Witterungsphase in Deutschland ansteht, geht häufig schief. Berücksichtigt man dagegen den zeitlichen Verlauf und aktuelle Prognosen der NAO, die Position des Islandtiefs sowie eventuell vorhandene blockierende Hochdruckgebiete über dem Kontinent, führt das in der Regel zu brauchbaren Ergebnissen. Probieren Sie es doch einmal aus!

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.01.2019

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