Mentale Abkühlung bereits am heutigen Mittwoch

Seit April liegt die Temperatur im Monatsmittel deutlich über dem langjährigen klimatologischen Mittel des Zeitraums 1961 bis 1990. Am gestrigen Dienstag, dem 07.08., stieg die Temperatur sogar auf Werte bis zu 38,3 Grad Celsius (Flughafen Köln-Bonn, NRW) und auch heute werden im Osten nochmals Temperaturen bis 38 Grad erwartet. Dabei sind die eisigen Temperaturen, die Deutschland noch im März diesen Jahres wochenlang fest im Griff hatten, schon längst in Vergessenheit geraten.

Bei der Hitze verschafft der Blick auf gegenteilige Extreme zumindest mental vielleicht etwas "Abkühlung". Denn nicht nur im Sommer werden Rekorde aufgestellt. Auch im Winter kann die Temperatur rekordverdächtig ausfallen, nur eben in die andere Richtung auf dem Thermometer. So registrierte die Station in Wolnzach-Hüll (Bayern) am 12. Februar 1929 eine Temperatur von -37,8 Grad Celsius und hält damit den bis heute ungeschlagenen Rekord der niedrigsten, jemals offiziell im DWD-Messnetz gemessenen Temperatur in Deutschland. Auf der Zugspitze sank die Temperatur dagegen im Februar 1940 "nur" auf -35,6 Grad als minimalster Wert der dort installierten Wetterstation ab.

Die kältesten Orte auf der Nordhalbkugel liegen in Ostsibirien. Sowohl in Oimjakon (Februar 1933) als auch in Werchojansk (Februar 1892) wurden jeweils -67,8 Grad Celsius registriert. Diese sind zudem die kältesten bewohnten Orte der Erde.

Die weltweit niedrigste gemessene Temperatur wurde - wie könnte es auch anders sein - im "Eisschrank" der Erde gemessen, der Antarktis. Am 21. Juli 1983 zeigte das Thermometer auf 2 Meter Höhe über dem Eis der russischen Forschungsstation Wostok (Antarktika) -89,2 Grad Celsius an. Allerdings sorgten moderne Messmethoden mithilfe neuster Satellitentechnologie erst vor Kurzem für Aufsehen. Im Juni veröffentlichten Forscher des "National Snow and Ice Data Center" der Universität von Colorado in Boulder (USA) einen Artikel über den kältesten Ort der Erde im "Geophysical Research Letters", einem renommierten Wissenschaftsjournal. Dieser befindet sich auf einem Hochplateau im Osten der Antarktis in einer Höhe zwischen 3850 und 4050 Metern. Auf diesem dicken Eispanzer verzeichneten die Forscher bei Messungen in den Wintern von 2004 bis 2016 sogar gleich ungefähr 100 Orte mit der unvorstellbaren Temperatur von etwa -98 Grad, was einen neuen weltweiten Kälterekord darstellt. Genauer gesagt handelt es sich bei den Orten um schmale Täler oder Senken. Da kalte Luft schwerer wiegt als warme, sammelt sich dort die kälteste Luft an.

Für die Messung wurde das Satelliteninstrument MODIS (MODerate-Resolution Imaging Spectroradiometer, also ein Instrument zur Messung elektromagnetischer Strahlung) der NASA-Satelliten "Aqua" und "Terra" sowie verschiedene Satelliten der NOAA (Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde der USA) verwendet. Allerdings messen Satelliten die Temperatur nur direkt auf der Oberfläche. Aus dem Vergleich mit Stationsmessungen an der Station in Wostok sowie drei weiteren automatischen Wetterstationen ergibt sich daraus eine Lufttemperatur in 2 Meter Höhe über dem Erdboden von etwa -94 Grad Celsius, was immer noch einem Kälterekord entspricht. Die Rekordtemperatur ist von aktuellen deutschen Verhältnissen also wesentlich weiter entfernt als gefrorenes Wasser vom Kochen. Wenn das mal nicht für mentale Abkühlung sorgt!

Im Rahmen ihrer Forschung erkannten die Forscher, dass die nötigen Rahmenbedingungen, um solch niedrige Temperaturen zu erreichen, neben einem klaren Himmel und einer leichten Brise auch eine extrem trockene Luft beinhalten. Denn ist die Luft sehr trocken, kann die Schneedecke effektiver Wärme ins All abstrahlen, wodurch die Auskühlung des Bodens und somit auch der bodennahen Luft stärker ausfällt. Ein hoher Gehalt an Wasserdampf würde den Wärmeverlust der Schneedecke hingegen abschwächen, wodurch die Temperatur nicht ganz so stark absinken könnte.

Dass die gemessene Temperatur von -98 Grad noch tiefer abfällt, ist laut der Forscher jedoch sehr unwahrscheinlich. Um diese überhaupt erst zu erreichen, müssen die idealen Bedingungen wie ein klarer Himmel und eine extrem trockene Luft über mehrere Tage anhalten. Tiefere Temperaturen könnten also nur auftreten, wenn diese Bedingungen über Wochen vorherrschen.

Nach diesem Exkurs zu den kältesten Orten auf der Erde können wir uns nun auch in Deutschland nicht nur mental auf eine Abkühlung freuen. Am Donnerstag fließt auf der Rückseite einer Kaltfront bereits kühlere Meeresluft in den Westen Deutschlands ein. Am Freitag spüren wir die "frische" Luft dann überall im Land. Allerdings wird der damit verbundene Luftmassenwechsel nicht allzu ruhig über die Bühne gehen. Im Vorfeld der Kaltfront sind teils kräftige Gewitter zu erwarten, die aufgrund von heftigem Starkregen und Hagel aber vor allem auch wegen Böen punktuell bis in den Orkanbereich auch häufiger unwetterartig ausfallen können.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.08.2018

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