Sintflut in der Wüste

Gut die Hälfte der Landmasse der Arabischen Halbinsel liegt südlich des Wendekreises des Krebses (ca. 23°26'N), gehört also strahlungsklimatisch zu den Tropen. Die dementsprechend hohe Sonneneinstrahlung bewirkt starke Erwärmung und Aufsteigen der bodennahen Luftschichten (Konvektion). Andererseits befindet sich die Region infolge der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation, sozusagen als Massenausgleich für die äquatoriale Tiefdruckrinne, die meiste Zeit des Jahres im Bereich des subtropischen Hochdruckgürtels der Nordhalbkugel.

Daher überwiegt dynamisch bedingtes Absinken der Luft die Konvektion größtenteils und Wolken lösen sich auf bzw. können gar nicht erst entstehen. Die Folge ist vorwiegend heißes und trockenes Klima mit beträchtlichen Temperaturunterschieden im Binnenland sowohl zwischen Tag und Nacht als auch zwischen den Jahreszeiten. Im nordhemisphärischen Sommer ist die Region die heißeste der Erde und am Tage sind Temperaturmaxima von knapp 50 °C möglich. Im Winter dagegen kann das Quecksilber nachts sogar unter den Gefrierpunkt sinken.

Im nordhemisphärischen Sommer entsteht im Bodenniveau über der Arabischen Halbinsel zwar ein ausgedehntes Hitzetief, das mit dem südasiatischen Monsuntief in Verbindung steht, allerdings bringt der in Arabien ?Charif? genannte, asiatische Südwestmonsun höchstens den Bergländern im Süden der Halbinsel etwas Regen oder Sprühregen. Die insgesamt spärlichen Niederschläge im Landesinneren sowie im Norden und Osten fallen überwiegend im Winter, und zwar nur dann, wenn bei einer in den mittleren Breiten stark in Nord-Süd-Richtung schwingenden Frontalzone Tröge mit hoch reichender Kaltluft weit südwärts bis in subtropische Gefilde vorstoßen. Diese Tröge werden von den einheimischen Meteorologen ?Westerly Waves? genannt.

Eine nicht alltägliche, häufig jedoch tragische ?Abwechslung? im Klima dieses heißen und trockenen Landes bieten tropische Wirbelstürme, die im Indischen Ozean ?Zyklone? genannt werden. (Man beachte hier im Singular die maskuline Form ?der Zyklon?, im Gegensatz zur femininen Form ?die Zyklone? für Tiefdruckgebiete im Allgemeinen. Im Plural heißt es ?die Zyklone? bzw. ?die Zyklonen?.) Zyklone entstehen im nördlichen Indischen Ozean besonders in der Zeit vor und nach dem indischen Sommermonsun, häufig aus Randtiefentwicklungen im Zusammenhang mit der ?Innertropischen Konvergenz? (engl. Abk. ITC). Sie folgen der Strömung meist in Richtung des indischen Subkontinents sowie des Golfes von Bengalen und sind im Bereich der Arabischen Halbinsel selten anzutreffen.

Der Zyklon MEKUNU, bereits der zweite Tropensturm der Saison, entstand vor etwa einer Woche im Seegebiet östlich des Horns von Afrika und zog sehr langsam mit nördlichem Kurs zur Südostküste der Arabischen Halbinsel, an der er am vorgestrigen Freitag schwerpunktmäßig im Grenzgebiet zwischen Jemen und Oman landete. Obwohl MEKUNU auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung bei ?Kategorie 3? Spitzenwindgeschwindigkeiten von mehr als 200 km/h aufwies, bargen die verheerenden Regenfälle das größte Zerstörungspotential in sich. Beispielsweise fielen an der Wetterstation des Flughafens Salalah (17°01'N, 54°06'E, 23 m Höhe) innerhalb von vierundzwanzig Stunden bis Samstag, den 26.05.2018, 00:00 Uhr UTC, 249 Liter Regen pro Quadratmeter. Infolge der damit einher gehenden Überschwemmungen waren in der Republik Jemen und dem Sultanat Oman jeweils mehrere Tote zu beklagen.

Ein hoch aufgelöstes Satellitenbild des abbildenden Spektroradiometers MODIS (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer) auf dem polarumlaufenden, sonnensynchronen Erdbeobachtungssatelliten AQUA der US-amerikanischen ?National Aeronautics and Space Administration? (NASA), aufgenommen am Vormittag des 25.05.2018, finden Sie unten. Man sieht das schwach ausgeprägte ?Auge des Sturms? kurz vor der Landung.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.05.2018

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