Sommerbeginn ? astronomisch, meteorologisch oder doch phänologisch?

Am Mittwoch, dem 21. Juni um 6:24 Uhr ist es wieder soweit. Die Sonne erreicht auf der Nordhalbkugel ihren höchsten Stand der Umlaufbahn um die Erde. Damit wird der astronomische Sommerbeginn bezeichnet.

Die Sonne steht zu diesem Zeitpunkt an ihrem nördlichsten Punkt. Den damit erreichten Breitenkreis, der sich in etwa auf 23 Grad Nord (23°26?16? N) befindet, nennt man auch nördlicher Wendekreis. Bis zu diesem Wendekreis bewegt sich die Sonne die gesamte erste Jahreshälfte über täglich ein Stück weiter nach Norden, was wir durch längere Tage oder auch durch einen höheren Sonnenstand am Himmel beobachten können. Auf diesem Wendekreis gibt es genau einen Ort bzw. Punkt, wo die Sonne um 6:24 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit bzw. an dem besagten Punkt um 12 Uhr Ortszeit genau senkrecht über der Erde steht. Danach macht sich die Sonne wieder auf den Weg in Richtung Äquator, welchen sie am 22. September um 22:02 Uhr (Herbstanfang) überschreitet. Die Tage werden nun also wieder kürzer.

Die Meteorologen sind schon seit dem 1. Juni auf Sommer eingestellt. Dies hat allerdings nur Arbeit vereinfachende Gründe. Für die Auswertung von Wetter- oder Klimadaten und die Erstellung von Statistiken ist es, insbesondere im Computerzeitalter, angenehmer und auch einfacher, volle Monate zu betrachten. Daher wurden die Monate Juni, Juli und August aus meteorologischer Sicht als Sommer definiert.

Der phänologische Sommerbeginn richtet sich nach der Natur und deren Entwicklung. Das ?phänologische Jahr? wird grundsätzlich in 10 physiologisch-biologisch begründete ?phänologische Jahreszeiten? eingeteilt, gekennzeichnet durch spezielle phänologische Indikatoren (Leitphasen). Der Sommer wird dabei nochmals in Frühsommer, Hochsommer und Spätsommer untergliedert. Mit dem Blühbeginn der Gräser setzt der Frühsommer ein. Auf den Wiesen blüht zuerst der Wiesenfuchsschwanz und auf den Getreidefeldern der Winterroggen. Blühen die Sommerlinden und die Kartoffeln, dann kommt der Hochsommer.

Mit dem Wissen der verschiedenen Definitionen stellt sich nun die Frage, warum der Sommer nicht genau um den Sonnenhöchststand (21.06.) herum definiert ist, an dem die Sonne den größten Energieeintrag auf die Nordhalbkugel abstrahlt. In diesem Sinne müssten die Monate Mai, Juni und Juli den Sommer bilden!?!

Wie oben beschrieben, umfasst der Sommer aus astronomischer Sicht allerdings denjenigen Zeitraum, in dem sich die Sonne vom nördlichen Wendepunkt zum Äquator zurückbewegt. Bei den Meteorologen wird auch nur ein kleiner Zeitraum vor Sonnenhöchststand dem Sommer zugesprochen. Die Phänologie ist komplett von meteorologischen Parametern wie Niederschlag, Temperatur und Sonnenstrahlung abhängig und kann in dieser Diskussion nicht berücksichtigt werden.

Für eine genauere Betrachtung muss man zusätzlich zur Sonneneinstrahlung auch die Speicherung und den Transport von Energie betrachten. Die Atmosphäre und erst recht die Ozeane sind grundsätzlich träge Medien, bei denen alles etwas langsamer abläuft. Ab Frühlingsbeginn, wenn sich die Sonne über den Äquator hinweg nach Norden bewegt, können sich die Ozeane und Landflächen auf der Nordhalbkugel verstärkt erwärmen und somit die einstrahlende Sonnenenergie aufnehmen bzw. speichern. Da in nördlichen Breiten (>60°N) durch die Kugelform der Erde der Energieeintrag trotz höherem Sonnenstand sehr gering bleibt, muss weiterhin Wärme aus Süden nach Norden transportiert werden. Dies übernehmen bis ca. 30° N hauptsächlich die Ozeane und deren Strömungen (z. B. Golfstrom). Oberhalb von 30° N sind unsere wohlbekannten Tiefdruckgebiete für den Wärmetransport größtenteils verantwortlich. Bis also die maximale Energie bzw. Wärmemenge in den mittleren bzw. nördlichen Breiten erreicht wird, vergeht etwas Zeit. Aus diesem Grund können im Normalfall die maximal möglichen Temperaturen für die mittleren und nördlichen Breiten, vom Sommeranfang zeitlich nach hinten verschoben, in den typischen Hochsommermonaten Juli und August gemessen werden.

Die Hitzeperiode in dieser Woche ist dabei ein Zusammenspiel zwischen Großwetterlage und Sonneneinstrahlung. Da die Sonne in diesem Zeitraum ihren nördlichsten Punkt erreicht hat, liegt Mitteleuropa im Zeitraum der größten Einstrahlung. Durch hohen Druck am Boden und entsprechend vielfach wolkenlosen Himmel über Deutschland kann die Sonne das Land gut erhitzen. Zudem herrscht an der Vorderseite eines Tiefdruckkomplexes über Südwesteuropa und südwestlich einer Hochdruckzone von Grönland über Deutschland hinweg weiter nach Süden verbreitet eine südliche bis südwestliche Strömung vor, die uns die stark erhitzte Luft von der Iberischen Halbinsel und Nordafrika nach Deutschland führt. Die fast maximale Einstrahlung und die erhitze Luft aus Süden führen in weiten Teilen Deutschlands zu sehr warmen bis heißen Temperaturen, die die bisherigen Jahreshöchstwerte toppen werden.

In diesem Sinne hoffen viele Menschen, dass es nicht die letzte Wärmeperiode in diesem Jahr ist und dass noch viele sonnige Tage in diesem Sommer folgen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.06.2017

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