Vor dem Monsun...

Geologisch betrachtet stellt der indische Subkontinent eine eigene tektonische Einheit dar, die "Indische Platte". Er wird im Norden durch das Himalaya-System von Zentralasien getrennt, in östlicher Nachbarschaft zu Hinterindien durch das Patkai- sowie das Arakan-Joma-Gebirge gesäumt, im Westen durch das Bergland von Belutschistan begrenzt und im Süden vom Indischen Ozean umspült, mit dem Arabischen Meer westlich und dem Golf von Bengalen östlich der Halbinsel Vorderindien. Sieben Staaten liegen auf dem Subkontinent, und zwar Bangladesh, Bhutan, Indien, die Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. Etwa die Hälfte der Landmasse liegt südlich des Wendekreises des Krebses (ca. 23°26' nördlicher Breite), also in den Tropen.

Diese geografische Lage und seine starke Gliederung in verschiedene Landschaftsformen, von tief liegenden Küstenstreifen und Flussebenen über ausgedehnte Hochflächen bis zu den höchsten Bergen der Erde, bewirken eine außerordentliche klimatische Vielfalt. Andererseits wird das Klima des indischen Subkontinents in erster Linie durch das Himalaya-Massiv und die Flussebene des Punjabs bzw. die angrenzende Wüste Thar dominiert. Die weitgehend zonal verlaufenden Gebirgsketten verhindern den Zustrom von Kaltluftmassen aus dem Hochland von Tibet und den winterkalten Ebenen Zentralasiens. Über dem Punjab und der Thar indes entsteht im Sommer ein geräumiges "Hitzetief", welches eine wesentliche Ursache für die Monsunzirkulation in Südasien darstellt.

Monsune sind großräumige, mit beständigen Winden einhergehende Luftströmungen in den Tropen und niederen Subtropen mit quasi halbjährlichem Richtungswechsel. Ihre Ursachen sind - vereinfacht gesagt - die unterschiedliche Erwärmung von Meer und Land sowie die damit zusammenhängende jahreszeitliche Verlagerung der innertropischen Konvergenzzone (ITCZ), einem weltumspannenden Tiefdruckgürtel. In Vorderindien ist die Monsunzirkulation aufgrund der o.g. geographischen Bedingungen besonders stark ausgeprägt. Mit zunehmendem Sonnenstand im Frühsommer erwärmt sich das Festland Südasiens intensiv und die innertropische Tiefdruckzone wandert nach Norden. Die umgebenden Meere sind demgegenüber kühler, dort herrscht höherer Luftdruck, so dass bodennah eine zum Festland gerichtete, feuchtwarme und regenträchtige Luftströmung entsteht. Infolge der Coriolis-Kraft werden großräumige Horizontalbewegungen auf der Nordhalbkugel nach rechts abgelenkt und der Sommermonsun wird zum Südwestmonsun, der jedoch über dem Subkontinent z.T. wieder in Richtung des Hitzetiefs (als Bestandteil der ITCZ) im Nordwesten Vorderindiens strömt.

In Südasien bestimmt der Monsun ("Regen- und Trockenzeit") das Dasein der Menschen, als Wasserspender, in wirtschaftlicher Hinsicht, oftmals aber auch mit drastischen Folgen für Leib und Leben im Falle von Dürren oder Überschwemmungen. Er ist sozusagen Fluch und Segen zugleich. Der indische meteorologische Dienst (India Meteorological Department, abgekürzt IMD) unterscheidet vier offizielle Jahreszeiten, und zwar den Winter von Dezember bis April, den Sommer von April bis Juni/Juli, den MONSUN (eigentlich Sommer- bzw. Südwestmonsun) von Juni/Juli bis September/Oktober und die Nachmonsunzeit von September/Oktober bis Dezember. Normalerweise breitet sich der indische Monsun im Verlaufe der ersten Hälfte des nordhemisphärischen Sommers vom Golf von Bengalen in Richtung Pakistan aus und erreicht etwa Mitte Juli über dem Indus-Tal seine größte nordwestliche Ausdehnung (vgl. aktuelle "Monsunfront" - grüne Linien in der unten gezeigten Karte "Advance of Southwest Monsoon 2017" des IMD).

Ende Mai/Anfang Juni, also zu Beginn des Sommermonsuns, ist die Region Nordindien/Pakistan die heißeste Gegend auf der ganzen Erde. Verbreitet herrschen Tageshöchsttemperaturen von mehr als 40 °C, im pakistanischen Indus-Tal örtlich sogar über 50 °C. Beispielsweise wurden am gestrigen 27. Mai 2017 in der Stadt Sibi (Indus-Tal, 29°33'N, 67°53'E, 133 m Höhe) 52,0 °C gemessen, damit wurde der bisherige Temperaturrekord von 51,0 °C (aus dem Zeitraum 1971-1990) überboten. In Jacobabad (Indus-Tal, 28°38'N, 68°31'E, 55 m Höhe) waren es gestern 51,0 °C und die Station Nagpur (21°09'N, 79°05'E, 306 m Höhe) auf dem indischen Dekkan-Plateau brachte es immerhin auf 46,0 °C.

Währenddessen hat der Sommermonsun Sri Lanka mit voller Stärke erreicht: nach heftigen Regenfällen, die zu Überschwemmungen und Erdrutschen führten, waren zunächst über 100 Tote zu beklagen, etwa ebenso viele werden noch vermisst und Tausende sind obdachlos. Beispielsweise wurde in Ratnapura (06°41'N, 80°24'E, 130 m Höhe) innerhalb von 24 Stunden bis Freitag, den 26.05.2017, 06:00 Uhr UTC eine Regenmenge von 384 L/m² (= mm) registriert, das sind ca. 81 % der mittleren monatlichen Niederschlagssumme des regenreichsten Monats Mai. Während des gesamten Niederschlagsereignisses dürften es über 500 mm gewesen sein, anderswo geht man von noch höheren Regenmengen aus. Laut einheimischem Wetterdienst handelte es sich um die stärksten Monsunregen seit dem Jahre 2003.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.05.2017

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