Stürmische Weihnachten

Schon vor vier Wochen hatten wir, wenn auch als wissenschaftliche Spielerei, orkanartige Böen für Weihnachten angekündigt. Dass die seit gestern auf einigen Bergen und heute Abend auch für die Küste angekündigten orkanartigen Böen nun tatsächlich einzutreffen scheinen, hat mit der damaligen Vorhersage eher wenig zu tun. Vor vier Wochen war die Ursache des kräftigen Windes, wie schon beim Weihnachtsorkan Lothar unseligen Gedenkens, ein kleines Tief innerhalb eines großen Tiefs, ein sogenannter Schnellläufer, der für die notwendigen Druckdifferenzen sorgt, um kräftigen Wind zu generieren.
Dieses Jahr allerdings ist die Ursache für das Windmaximum im Laufe der ersten Nachthälfte zum Dienstag das Zusammenspiel von Tief "Barbara" und Hoch "Yörn". Während "Barbara" ein X-beliebiges Sturmtief, zeitweise Orkantief ist, dass sich Richtung Skandinavien verlagert, rauscht das Hoch "Yörn" ungewöhnlich schnell, fast ist man geneigt diesem Hoch den den Tiefs vorbehaltenen Begriff "Schnellläufer" zuzuordnen, in zwei Tagen knapp 4000 km von West nach Ost. Es liegt heute Abend über Cornwall im Südwesten von England. Barbara dagegen bewegt sich in der gleichen Zeit nur ca. 2000 km und teilt sich in einen nördlichen und einen südlichen Teil über Nord- bzw. Südskandinavien auf. Daher gelangt "Yörn" rasch in die Nachbarschaft Barbaras und somit kann sich die für den starken Wind notwendige Druckdifferenz aufbauen. Wenn man sich nur die Bodenwetterkarte, die üblicherweise in den Zeitungen abgedruckt wird, anschaut, ist es zunächst unklar, ob man vom Sturmtief Barbara oder vom Sturmhoch "Yörn" sprechen sollte.
Warum wir dann doch vom Sturmtief sprechen, liegt daran, dass die Böen, die letztendlich die Windereignisse charakterisieren, durch meteorologische Vorgänge in der Höhe ausgelöst werden, die eindeutig zu einem Tief gehören. Kurz gefasst: Der Isobarenabstand zwischen Barbara und "Yörn" führt verbreitet zu einem Bodenwind der Stärke 7-8, also etwa 50-75 km/h. Die Reibung über der Erdoberfläche hat dabei, über Wasser mehr, über Land weniger, den Wind in der Messhöhe von 10 m bereits abgebremst. Der reibungsfreie, also nicht abgebremste Wind in der Höhe ist also stärker. Auf Sylt beispielsweise ist für kommende Nacht ein Mittelwind in 10 m von Bft 8 (ca. 70 km/h) vorhergesagt, in 700 m Höhe wird er mit Bft 12 (> 118 km/h) prognostiziert.
Bei einem Hoch bliebe das mangels Luftaustausch zwischen den Höhenschichten der bodennahe Wind bei 7-8 Bft. Durch die meteorologischen Vorgänge bei einem Tief allerdings wird örtlich Luft aus tieferen und höheren Schichten ausgetauscht (Konvektion). Dann kann sich die Windgeschwindigkeit, die eigentlich nur in höheren Schichten zu finden ist, kurzzeitig auch am Boden durchsetzen und wird dann als Bö gemessen.
Da Berge, und hier vor allem der Brocken als einsamer Gipfel in relativer Nordseenähe, in das Höhenwindfeld ragen, gibt es dort natürlich verbreitet Orkanböen. Von Ausflügen dorthin ist daher abzuraten.

Dipl.-Met. Christoph Hartmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.12.2016

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