"Trog Westeuropa"

Der Jahresverlauf der Witterung an einem Ort oder in einem Gebiet besteht aus einer Folge typischer Wettersituationen, den sog. Großwetterlagen. Diese ergeben sich durch bestimmte großräumige Luftdruck bzw. Geopotentialverteilungen und die daraus resultierenden Strömungsmuster. Welche Großwetterlage sich einstellt, wird letztendlich durch die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre bestimmt und manifestiert sich im raum-zeitlichen Verhalten der atmosphärischen Höhenströmung in der mittleren Troposphäre. Diese fließt auf der Nordhalbkugel stets so, dass, in Stromrichtung betrachtet, auf der rechten Seite hoher Luftdruck bzw. hohes Geopotential und auf der linken Seite tiefer Luftdruck bzw. niedriges Geopotential herrschen. Das Wetter selbst wird außerdem noch durch die Eigenschaften der in das jeweilige Zirkulationsregime einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der Andauer einer Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des betrachteten Gebietes durchaus wechseln, der Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.

Die seit ein paar Tagen vorherrschende Wetterlage nennt sich "Trog Westeuropa" (wiss. Abk. TrW). Sie gehört zu den meridionalen Zirkulationsformen, d.h. sie ist durch eine stark mäandrierende Höhenströmung gekennzeichnet. Die verläuft derzeit über dem Ostatlantik in Nord-Süd-Richtung, kehrt südwestlich der Iberischen Halbinsel um und wendet sich schließlich über Mitteleuropa nordostwärts. Somit befindet sich über Westeuropa ein ausgedehntes Gebiet niedrigen Luftdruckes bzw. Geopotentials, welches im Meteorologenjargon gern als "langwelliger Trog" bezeichnet wird. An der Vorderseite dieses Tiefdrucksystems gelangt Meeresluft subtropischen Ursprungs nach Mitteleuropa. Dabei sorgen ein markanter Luftdruckgradient - oder einfacher formuliert markante Luftdruckgegensätze in West-Ost-Richtung - für eine lebhafte Strömung aus südlichen Richtungen. Der Wind weht daher vor allem in der Westhälfte Deutschlands mäßig bis frisch mit starken Böen aus Richtungen um Süd. Im Bergland gibt es am heutigen Montag sowie am Dienstag zum Teil stürmische Böen oder gar Sturmböen. In den Alpen hält der Föhnsturm mit Orkanböen auf den Gipfeln und Sturmböen in einzelnen Föhntälern an. Die Temperatur erreicht verbreitet "frühlingshafte" 9 bis 15 °C, in einigen Alpentälern werden dank des Föhn-Effektes sogar Maxima um 17 °C erreicht.

Unter http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/11/21.html finden Sie oben eine vom heutigen 00:00-UTC-Lauf des amerikanischen Vorhersagemodells GFS berechnete Prognose der geopotentiellen Höhe der die untere Troposphäre repräsentierenden 850-hPa-Hauptdruckfläche sowie die dort herrschende Temperatur, für Montag, den 21.11.2016, 06:00 Uhr UTC. Anhand der Farbkonturen erkennt man die Advektion warmer Luft aus südlichen Richtungen an der Vorderseite der Zyklone mit Kern südwestlich der Britischen Inseln. Nördlich der Alpen sowie der Pyrenäen macht sich deutlich der Föhn-Effekt bemerkbar, einerseits in der zyklonalen Ausformung der 850-hPa-Isopotentialen, andererseits in der adiabatischen Erwärmung der Luft durch Absinkbewegungen im Lee der Gebirge (man beachte die dunkelorange gefärbten Gebiete innerhalb der 10-°C-Isothermen). Unten finden Sie ein sog. thermodynamisches Diagramm ("Temp") der Flugwetterwarte München für Montag, den 21.11.2016, 06:00 Uhr UTC, welches die vertikale Änderung der Lufttemperatur darstellt. Normalerweise nimmt die Temperatur mit der Höhe ab. Hier jedoch bewirkt, neben der nächtlichen Abkühlung bei z.T. klarem Himmel, die Advektion relativ warmer Luft über einer im Winterhalbjahr stets kalten Grundschicht eine "Inversion", also eine Umkehr des vertikalen Temperaturverlaufs. Beginnend mit -1,2 °C am Boden steigt die Temperatur bis etwa 330 m über Grund auf 16,1 °C um dann rasch mit der Höhe abzunehmen.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.11.2016

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