Der Wind aus meteorologischer Sicht - ein Konstrukt verschiedener physikalischer Kräfte -Erster Teil: Die Zutaten-

Das Studium der Luftströmungen in der Atmosphäre ist eine der wesentlichen Aufgaben der Meteorologie. Durch den Begriff "Wind" (griechisch anemos = Wind) wird ganz allgemein die Verlagerung von Luftteilchen in Bezug auf deren Richtung und Geschwindigkeit beschrieben. Meist wird unter dem Begriff "Wind" die horizontale Luftströmung verstanden, doch gibt es auch Luftbewegungen in vertikaler Richtung der Atmosphäre, die für gewisse atmosphärische Prozesse wie z.B. der Wolkenbildung, der Wolkenauflösung oder dem Niederschlag von grundlegender Bedeutung sind. In den weiteren Abschnitten sollen aber überwiegend die horizontalen Strömungen der Luft genauer betrachtet werden.

Ein bewegtes Luftelement wird grundsätzlich von seinen benachbarten beeinflusst, sodass dessen Bewegung nicht unabhängig erfolgt. Auf der Erde bzw. in der Erdatmosphäre wirken je nach Höhe und geographischer Breite verschiedene physikalische Kräfte unterschiedlich stark auf Flüssigkeiten und Gasen und somit auch auf die Luft ein. Die wesentlichen Kräfte sind dabei die Druckgradientkraft, die Corioliskraft und die Zentrifugalkraft. Bevor detailliert auf die verschiedenen meteorlogischen Winde eingegangen wird, sollen zunächst die wirkenden physikalischen Kräfte näher erläutert werden.

Die sogenannte Druckgradientkraft basiert dabei auf den Luftdruckunterschieden in der Umgebung des Luftteilchens. Sie wirkt auf die Luft entlang des Druckgefälles zwischen einem Hochdruckgebiet und einem Tiefdruckgebiet und ist proportional zum Druckunterschied und nicht zum absoluten Wert des Luftdruckes selbst. Nachfolgend bilden sich Ausgleichströmungen, die immer vom hohen zum tiefen Luftdruck gerichtet sind. Schematisch kann man sich die Druckgradientkraft als eine schräge Fläche zwischen dem hohen und dem tiefen Luftdruck vorstellen, auf der sich die Luft wie auf einer Rutsche hinunter bewegt (vgl. auch http://bit.ly/2bmVWrm sowie Abbildung 1.

Die sogenannte Corioliskraft ist dagegen eng mit der Erdrotation verknüpft. Luftpartikel, die eine Bewegung relativ zur Erde durchführen, nehmen gleichzeitig auch an der Erdrotation teil. Betrachtet man die Partikelbewegung in einem mitrotierenden, also erdfesten Koordinatensystem, resultiert daraus eine seitliche Ablenkung der Teilchen und zwar auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links aus der ursprünglichen Bewegungsrichtung heraus. Diese Ablenkung kann dabei auf das Wirken einer Kraft zurückgeführt werden, die nach ihrem Entdecker (Gaspard Gustave de Coriolis, 1835) benannt wurde. Die Corioliskraft ist jedoch eine Schein- bzw. Trägheitskraft, da sie nur relativ zu einem rotierenden Bezugssystems in Erscheinung tritt. Schematisch kann man sich dies anhand einer Kugel auf einer Drehscheibe veranschaulichen. Sitzt der Beobachter mit der Kugel auf der Drehscheibe, analog zum Menschen auf der Erde, so beschreibt die Kugel auf ihrem Weg von innen nach außen einen Bogen. Steht der Beobachter jedoch neben der drehenden Scheibe, gleichzusetzen mit einem Astronaut im Weltall, so nimmt die Kugel für diesen einen gradlinigen Weg von der Mitte zum Rand der Drehscheibe (vgl. auch http://bit.ly/2bimeHW sowie Abbildung 2).

Die sogenannte Zentrifugalkraft wird aus dem Lateinischen abgeleitet (centrum, Mitte und fugere, fliehen) und ist entsprechend auch als Fliehkraft bekannt. Bei ihr handelt es sich ebenfalls um eine Trägheitskraft, die bei Dreh- oder Kreisbewegungen auftritt und radial von der Rotationsachse nach außen gerichtet ist. Die Auswirkungen der Zentrifugalkraft lassen sich ebenfalls im täglichen Leben beobachten. Als Beispiel kann hierbei ein Kettenkarussell dienen, bei dem die Passagiere an den Ketten während der Drehbewegung je nach Geschwindigkeit nahezu waagerecht zum Boden in der Luft schweben können (vgl. auch http://bit.ly/2bxUb97 sowie Abbildung 3).


Eine weitere besondere Rolle bezüglich der horizontalen Luftströmungen übernimmt die sogenannte Reibungskraft. In den unteren 1,5 bis 2 km der Erdatmosphäre wird der Wind durch die Bodenreibung nachhaltig beeinflusst. Je nach Bewuchs oder Bebauung werden die Luftteilchen mehr oder weniger stark abgebremst. Grundsätzlich ist jedoch die Reibung zum Boden hin größer. Resultierend nimmt der Wind mit der Höhe, also abnehmender Reibung zu. Etwa oberhalb von 2 km kann der Wind schließlich ohne Einfluss der Reibung wehen.

Wie die Definitionen der Kräfte zeigen, können alle einen kleineren oder größeren Einfluss auf sich bewegende Luftpartikel haben. Wie sich nun die verschiedenen meteorologischen Winde zusammensetzen, können sie in den weiteren Abschnitten im morgigen Thema des Tages nachlesen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.08.2016

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