Forensische Meteorologie Teil 3 - "Wetterdetektive" des Deutschen Wetterdienstes

In den ersten beiden Teilen der Reihe "forensische Meteorologie" wurden bereits einige anschauliche Beispiele aufgeführt, bei denen das Wettergeschehen maßgeblich zum Ermittlungserfolg beitrug. Auch der Deutsche Wetterdienst beschäftigt an unterschiedlichen Standorten in Deutschland eigene, speziell ausgebildete Gutachter, wie zum Beispiel Uta Frisch vom Klimabüro in München, die auf über 30 Jahre Erfahrung als meteorologische Sachverständige zurückblicken kann und freundlicherweise etwas Zeit für ein Gespräch fand.

Nicht nur in den USA werden "Wetterdetektive" zertifiziert, in Deutschland existieren ebenfalls Zertifikate für meteorologische Sachverständige, die man nach mehreren Jahren Berufserfahrung erwerben kann. Die amtlichen Gutachten an sich folgen dabei festgelegten Richtlinien und werden nicht nur vom Deutschen Wetterdienst angeboten, auch private Wettergutachter liefern solche Dienstleistungen.

Da die amtlichen Gutachten meist jedoch sehr aufwendig und entsprechend teuer sind, lohnt sich ein solches nur in Ausnahmefällen. Zudem ist nicht immer gleich ein professioneller Gutachter von Nöten. Die Internetplattform "WESTE-XL" (Wetterdaten und -statistiken Express - XL) bietet den kostenfreien Online-Zugriff auf Messwerte, die am häufigsten nachgefragt werden. Dabei sind auch klimatologische Auswertungen umfangreicher Datensätze möglich. Die entsprechenden Informationen finden Sie unter www.dwd.de/weste.

Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass nicht jedes Wetterereignis an den Messstationen nachgewiesen werden kann. Gewitter treten beispielsweise nur eng begrenzt auf. So kommt es vor, dass Begleiterscheinungen wie Fallböen oder Starkregen zwischen zwei Stationen für Schäden sorgen, an den Stationen selbst jedoch nicht registriert werden. In einem solchen Fall kann dann die Anfrage eines Gerichts erfolgen: Sind Gewitterfallböen zum Zeitpunkt eines Unfalls aufgetreten und wenn ja, in welcher Stärke?

Auch die Einschätzung von Sichtverhältnissen stellt unter Umständen eine schwierige Aufgabe dar. Bei einem durch einen Geisterfahrer verursachten Verkehrsunfall kamen die Insassen der beiden verwickelten Fahrzeuge ums Leben. "Unser Sherlock", Uta Frisch, bekam dann den Auftrag, die Sichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln. Konnte der Autofahrer den Geisterfahrer auf sich zukommen sehen? Wie groß war dabei die Sichtweite? Eine solche Aussage zu treffen ist dann nur begrenzt möglich, da das Messstationsnetz recht weitmaschig ist und man somit nicht über flächendeckende Beobachtungsdaten verfügt. Als zusätzliches Hilfsmittel bietet sich da der Blick aus dem All an. Allerdings schaut man mit dem Satelliten nur von oben auf die Nebeldecke. Eine Abschätzung der Sichtweite auf 50 m genau ist dann entsprechend nicht möglich.

Beim Fund einer eingeschneiten Leiche in winterlichem Gelände lässt sich der Todeszeitpunkt für Gerichtsmediziner nur schwer bestimmen, da die Leiche von Insektenbefall verschont bleibt. Jedoch kann man sich auch hier die Witterung zunutze machen. Vergleicht man die Schneedecke unter der Leiche mit der Schneedecke, die sich auf der Leiche gebildet hat, kann man mithilfe einer Niederschlagsanalyse den Tod zeitlich näher eingrenzen. Entsprechend muss der Frage nachgegangen werden, in welchem Zeitraum welche Mengen an Schnee gefallen sind.

Wetter beeinflusst aber auch den Kleidungsstil eines Menschen. Zum Beispiel werden im Sommer gerne kurze und luftige Kleidungsstücke getragen, im Winter mag man es dagegen eher lang und dick. Bei der Frage, wann sie eine Person das letzte Mal gesehen haben, erinnern sich viele Zeugen an die Kleidung der Person. War es ein besonders warmer Tag im Frühling, kann das Datum womöglich näher eingegrenzt werden.

In einem weiteren spannenden Ermittlungsverfahren kam es zu einer Drogenrazzia. Dabei beobachtete ein Polizist, wie sich einer der Täter über den Balkon des durchsuchten Gebäudes scheinbar einer Tüte Rauschgift entledigte. Im Anschluss an die Razzia musste die Aussage des Polizisten mit den vorherrschenden Lichtverhältnissen abgeglichen werden, da die Wahrnehmung beispielsweise durch dichte Wolken oder Regen eingeschränkt hätte sein können. Falls das Sachverständigengutachten dann aufgrund mangelnder Daten zu ungenau ist, kommt es im äußersten Fall zu einem Ortstermin, bei dem die lokalen Lichtverhältnisse bei ähnlichen Wetterbedingungen unter die Lupe genommen werden.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.06.2016

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