Der "Scirocco" - heiß und staubig!

In den letzten Wochen geisterten häufiger Begriffe wie "Saharastaub" und "Blutregen" durch die Presse. Starke südliche Winde transportierten aus der Wüste Sand bzw. Staub in großen Höhen über das Mittelmeer und die mittleren und östlichen Teile Südeuropas hinweg u.a. auch bis nach Deutschland. Zwar blieb der sogenannte "Blutregen" - eine durch die Staubpartikel hervorgerufene schmutzig-gelbrötliche Einfärbung des Regens - in Deutschland bisher aus. Dennoch konnte man die feinen Ablagerungen mit bloßem Auge sehen, da sie sich auf Gegenständen ablagerten oder wie ein Schleier vor die Sonne schoben. In den folgenden Abschnitten begeben wir uns auf Spurensuche. Was sind die Gründe für ein derartiges "Staubevent" in Mitteleuropa?

Verantwortlich für die Emission des Saharasandes sowie dessen Verfrachtung über das Mittelmeer gen Europa ist der sogenannte "Schirokko" oder "Scirocco" (italienisch, vom arabischen "sarqui" = östlicher Wind). Dabei handelt es sich um einen heißen, zunächst trockenen, aus süd- bis südöstlicher Richtung wehenden, oft mit Staub oder Sand beladenen Wüstenwind. Andere, regionale Bezeichnungen für den "Scirocco" sind Ghibli (Libyen, Tunesien), Chamsin (Ägypten, Israel), Samum (nordafrikanischer-arabischer Raum), Leveche (Spanien), Sirokos (Griechenland) oder auch Chergui (Perischer Golf) (vgl. Graphik 1). Grundsätzlich kann der Schirokko zu allen Jahreszeiten entstehen. Allerdings tritt er häufig in den Übergangsjahreszeiten auf. In diesen sind die Temperaturunterschiede zwischen den polaren und tropischen Regionen am größten. Da die Atmosphäre jedoch ein Gleichgewicht anstrebt, stellen sich zwischen den Tropen und den mittleren bzw. nördlichen Breiten oftmals meridionale, also von Nord nach Süd oder umgekehrt verlaufende, Ausgleichströmungen ein.

Eine solche Ausgleichsströmung kann z.B. ein Kaltluftvorstoß über dem Ostatlantik weit nach Süden sein, der mit der Bildung eines Höhentroges (siehe www.dwd.de/lexikon; Stichwort "Trog") verbunden ist. Meistens reicht der Höhentrog dabei bis zur Nordwestspitze Afrikas und schwenkt dann nach Osten, wobei die heiße Saharaluft angehoben wird. Damit verbunden fällt am Boden der Luftdruck stark ab und es entsteht über der westlichen Sahara ein eigenständiges Tiefdruckgebiet. Dabei werden die Luftdruckunterschiede am Boden sowie der Wind verstärkt, sodass viel Saharastaub aufwirbelt, der an der Ostflanke des entstandenen Tiefdruckgebietes bzw. des Höhentroges nach Norden verfrachtet wird (vgl. Graphik 2).

Je nachdem, über welcher Region der Sahara sich ein solches Tief entwickelt, werden verschiedene Regionen des Mittelmeeres und seiner europäischen Anrainerstaaten von diesem Wüstenwind erfasst. Im oben beschriebenen Fall würde es von der Westsahara aus Ostspanien, Südfrankreich und ggf. Sardinien und Korsika treffen.

Auch zu Beginn dieses Monats kam es zu einem ausgeprägten Kaltluftvorstoß über die Britischen Inseln und Westeuropa hinweg weit nach Süden bis an die Küste Marokkos. Dabei entwickelte sich das Tiefdruckgebiet etwas weiter östlich mit einem Kern vor der Küste Libyens. In diesem Fall wehte der Schirokko den Wüstensand vorwiegend von Tunesien in Richtung Süditalien, Dalmatinische Adriaküstenregion (Kroatien, Montenegro, Albanien), Südgriechenland und südwestliche Türkei (vgl. Graphik 3).

Bei seinem Weg über das Meer kann der Schirokko zudem sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen und somit beim erzwungenen Aufstieg an Gebirgen zu Starkniederschlag in Spanien, Italien, Griechenland und Dalmatien führen. Wenn der Schirokko schließlich auch noch viel Wüstenstaub mit sich führt, können dann zum Beispiel Autos und Fensterscheiben beim Abregnen eine gelbrötlich Färbung (Blutregen) bekommen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.04.2016

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