Sturmtief mit Pokerface


Sturmtief WENCKE zieht mit seinem Sturmfeld auf Deutschland zu. Dabei lässt es sich leider nicht so richtig in die Karten schauen. Mehr dazu im heutigen Thema des Tages.

Da braut sich etwas zusammen über dem Atlantik beziehungsweise über dem Süden der Britischen Inseln. Dass es sich dabei um ein Sturmtief handelt, das sich an der Südflanke des umfangreichen Tiefdruckkomplexes VIVIENNE mit Sitz bei Island entwickelt, ist klar. Auch dass dieses Sturmtief den Namen WENCKE (international LOUIS) trägt, im weiteren Verlauf ost- nordostwärts über die Nordsee hinweg zieht und ab dem heutigen Donnerstagabend mit seinem Sturmfeld auf Deutschland übergreift, ist klar. Fraglich ist aber weiterhin, wie die Windentwicklung im Detail ablaufen wird.

Normalerweise sind großräumige Sturmentwicklungen schon ein paar Tage im Voraus relativ gut vorherzusagen. WENCKE lässt sich dagegen nicht so richtig in die Karten schauen. Am gestrigen Mittwoch gab es noch zum Teil sehr große Unterschiede, sowohl zwischen den verschiedenen Modellen, als auch zwischen den einzelnen Vorhersageläufen eines Modells selbst.

Abbildung 1 zeigt bespielhaft zwei Vorhersageläufe des hochauflösenden Modells ICON-D2 von gestern 15 und 21 UTC für die Nacht zum Freitag um 00 UTC (was in etwa den Höhepunkt des Sturms darstellt). Im 15-UTC-Lauf hatte ICON-D2 im Nordwesten noch recht verbreitet schwere Sturm- bis zum Teil sogar Orkanböen ((dunkel-)rot) im Programm, um 21 UTC wollte es davon nichts mehr wissen und zeigte nur noch hier und da schwere Sturmböen und höchstens vereinzelt mal noch eine orkanartige Böe.

Noch deutlichere Diskrepanzen zeigte der gestrige 12-UTC-Lauf zwischen den verschiedenen Modellen, wie man in Abbildung 2 sieht. Während ICON6 im Nordwesten auf orkanartige Böen (Windstärke 11) getrimmt war, zeigte UK10 gerade einmal steife bis stürmische Böen (Windstärke 7 bis 8).

Mittlerweile scheint man aber das ein oder andere Zucken im Pokerface von WENCKE erkennen zu können. Zumindest haben sich die Modelle etwas angeglichen. Demnach wird es in weiten Teilen des Landes stürmisch, wobei der Schwerpunkt nach aktuellem Stand in der kommenden Nacht zum Freitag im Nordseeumfeld und im Norden von Schleswig-Holstein zu finden sein wird. Böen bis Orkanstärke zwischen 105 und 125 km/h sind dort zu erwarten, wobei auf den Nordseeinseln selbst extreme Orkanböen über 140 km/h nicht ausgeschlossen sind. Südlich angrenzend - etwa vom Emsland und NRW bis zur Ostsee sind vorübergehend schwere Sturmböen bis 100 km/h möglich, vereinzelt sind auch orkanartige Böen um 110 km/h nicht ausgeschlossen. Im höheren Bergland sind ohnehin schwere Sturm- bis Orkanböen zu erwarten, ebenso wie lokal in der Nähe von Gewittern, die sich vor allem im Westen und Nordwesten entwickeln können.

Bedenkt man, dass die Böden durch die vergangenen Regenfälle zum Teil recht aufgeweicht sind, können schon schwere Sturmböen ausreichen, um den ein oder anderen Baum zu entwurzeln. Das könnte also vor allem in der Nordwesthälfte der Fall sein.

Ansonsten lässt der Wind nach Durchgang der von West nach Ost durchschwenkenden Kaltfront von WENCKE rasch wieder nach, sodass das Ereignis in vielen Regionen meist nur wenige Stunden anhält. Am längsten dauert es im Nordwesten beziehungsweise im Nordseeumfeld, wo man sich relativ nah am Kernbereich des Sturmtiefs befindet. In den Frühstunden des Freitags lässt der Wind aber auch dort mehr und mehr nach.

Ganz in die Knie geht der Wind im Nordseeumfeld allerdings nicht, denn am Freitag bleibt es dort weiterhin stürmisch und auch in der Nordwesthälfte frischt der Wind stark böig auf. Alles aber kein Vergleich zu dem, was uns in der kommenden Nacht zum Freitag bevorsteht.


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.02.2024

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