"Rollende" Wolken im Mittelmeer

Selten anzutreffen, aber äußerst schön anzusehen und sicherlich aufregend zu surfen - "roll clouds", wie die australische "Morning Glory Cloud" faszinieren ihre Beobachter immer wieder aufs Neue. Gestern konnte ein solches Exemplar im Mittelmeer beobachtet werden.


Am gestrigen Donnerstag (03.08.2023) zeigte sich im Mittelmeer eine recht selten zu beobachtende "roll cloud" (auf Deutsch weniger üblich "Rollwolke"). Dabei handelt es sich um eine längliche, typischerweise nicht allzu hohe und röhrenförmige Wolke, die sich scheinbar um eine horizontale Achse zu rollen scheint.

Die Entstehung dieser außerordentlichen Wolke ist bislang allerdings noch nicht vollständig verstanden. Im Mittelmeer konnte man gestern eine Druckwelle beobachten, die sich in Südfrankreich in Zusammenhang mit einem Kaltluftvorstoß formierte und sich in südliche Richtungen fortbewegte. Darüber hinaus konnte man auch eine sogenannte Konvergenz in Erdbodennähe beobachten. Dabei trafen Winde aus verschiedenen Richtungen aufeinander (vorderseitig herrschte südlicher Wind, rückseitig nördlicher Wind), wodurch die Luft in die Höhe ausweichen musste. Diese Konvergenz bewegte sich in der Folge als große, turbulente Welle fort.

Die Wolkenwelle kann man sich wie eine Wasserwelle mit einer geraden Kammlinie vorstellen, nur eben aus Luft. Das Besondere an dieser speziellen Welle ist nun, dass sie sich recht stabil über große Distanzen ohne Änderung ihrer Form fortsetzen kann. Die gestrige Mittelmeerwelle legt rund 400 Kilometer mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von rund 15 km/h zurück und erstreckte sich zeitweise auf eine Länge von etwa 600 km. Dabei ist die Welle an sich nur wenige Hunderte Meter bis wenige Kilometer hoch und breit. Deutlich berühmter ist übrigens eine australische "roll cloud", die sogenannte "Morning Glory Cloud". Jedes Jahr im australischen Frühling, wenn in unseren Breiten der Herbst allmählich Einzug hält, zieht es "Wolkensurfer" in den Golf von Carpentaria im Norden Australiens. Denn von September bis November tritt dieses beeindruckende Phänomen dort aufgrund der besonderen Land-See-Verteilung sogar einigermaßen regelmäßig auf. Den Namen hat die "Morning Glory Cloud" ursprünglich durch ihre morgendliche Ankunftszeit an der Küste in Queensland (Australien) erhalten. Bei günstigen Bedingungen können auch mehrere dieser Wolkenschlangen in einer regelmäßigen Anordnung hintereinander gesichtet werden.

Viele Menschen sind fasziniert von diesem Phänomen. So ist es wenig verwunderlich, dass Ende September das "Morning Glory Festival" zu Ehren des Phänomens in der Kleinstadt Burketown (Australien) stattfindet. Außerdem handelt es sich meteorologisch gesehen um eine äußerst interessante und eigentlich sehr selten anzutreffende Wolkenform. Entsprechend widmen sich auch Wissenschaftler der Erforschung dieser Wolke. Seit dem Jahr 2017 wurde die Wolkenart sogar im offiziellen Wolkenatlas der UN-Unterorganisation für Meteorologie (kurz: WMO) aufgenommen und als "Strato- bzw. Altocumulus volutus" benannt.

Aber auch unter Drachen- und Segelfliegern wird es zunehmend ein Sport, diese faszinierende Wolke zu "surfen". An der Frontseite der Welle kommt es zu Aufwinden, mit welchen die Luftmassen zum Aufsteigen gezwungen werden und so den Gleitschirmfliegern ideale Bedingungen zum Wolkensurfen bieten. Im hinteren Bereich sinkt die Luft hingegen wieder ab. Deshalb sollten sich nur erfahrene Flieger auf das Abenteuer einlassen.

Aber nicht nur im Mittelmeer oder im australischen Golf von Carpentaria kann sich die "roll cloud" bilden. Es gibt weitere Beobachtungen auf der ganzen Welt, wie beispielsweise von Daniela Mirner Eberl im Januar 2009 in Maldonado, Uruguay festgehalten. Allerdings ist der Australische Golf bisher der einzig bekannte Ort, an dem diese faszinierende Wolke einigermaßen regelmäßig auftritt und auch vorhersagbar ist, was es für Wissenschaftler einfacher macht, dieses Phänomen zu beobachten und zu untersuchen.


M.Sc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.08.2023

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